166. Kapitel – Der Müllsheriff goes Wurmkompost I

Es ist soweit! Ungeduldig haben wir auf ihn gewartet – nun ist er endlich angekommen:

Unser Wurmkomposter!

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Ihr erinnert Euch: Anatol hatte bereits vor längerer Zeit angekündigt, der Müllmisere, die er nicht länger zu ertragen bereit ist, den Kampf anzusagen. Joghurtbecher, in Plastik eingeschweisstes Obst oder Gemüse, Verpackungen jeglicher Art hat der selbsternannte Müllsheriff bereits aus unserem Leben verbannt: Anatol schickt mich nur noch mit Jutebeuteln und Glasbechern bewaffnet zum Einkaufen auf den Markt und zu Day by Day, unserem verpackungsfreien Laden. Sein Motto: „Was verpackt ist, kaufen wir nicht!“

Zwar habe ich es geschafft, doch heimlich das eine oder andere verpackte Produkt, auf das ich nicht verzichten mag, hinter dem Rücken des argwöhnisch jeden Einkauf überprüfenden Sauriers einzuschmuggeln; dennoch stehe ich natürlich hinter den Anstrengungen des Butlers, zumindest den Müll zu vermeiden, den wir nicht produzieren müssen.

Die letzte verbleibende Müllbastion sind – oder vielmehr: waren! – unsere Bioabfälle. Es gibt bei uns keine braune Tonne, und wenn es sie gäbe, würde ich sie – sogar gegen den Widerstand des Butlers – boykottieren. WG-Erinnerungen aus den späten 80er Jahren lassen mich noch heute erschauern: damals hatte jeder von uns in seinem WG-Zimmerchen eine eigene kleine „braune Tonne“. Bei sommerlichen 35°C im 9 qm „großen“ Dachgeschoßzimmer wurde das Bioabfall-Gefäß alsbald zur grauenerregenden Fliegen- und Fäulniszucht. Der damit einhergehende, hier nicht näher zu beschreibende Geruch, der aus den Zimmern drang, hatte mich dazu bewogen, jegliche Ambition in Richtung „Kompostierung in der Wohnung“ endgültig aufzugeben.

Endgültig…? Nicht ganz!

Anatol ist bei seinen Recherchen zur geruchslosen Kompostierung auf den sogenannten „Wurmkompost“ gestoßen. Dieser verspricht eine völlig gestanksfreie, unkomplizierte Verwertung fast aller Bio-Abfälle des Hauses. Das einfache Prinzip: Kompostwürmer verarbeiten die gesamten pflanzlichen Abfälle des Haushalts in Humus. Der einzige Geruch, der dabei entsteht, ist der frischen Waldbodens – ein Traum!

Nach kurzer Bedenkzeit hatte ich mein Plazet gegeben: ein Wurmkomposter soll her!

Diverse Modelle sind im Handel verfügbar; schnell haben wir jedoch alle Plastik-Konstruktionen verworfen, da das Kompostklima uns dort nicht ideal erscheint (vgl. WG-Erfahrungen).

Den Zuschlag bekommt nach längeren Überlegungen der Keramik-Komposter von wormup.ch – er bietet ein perfektes Wurmklima im Inneren, kühl im Sommer, warm im Winter (die ideale Temperatur für die Würmer liegt zwischen 14° und 25°) – und er schließt nicht luftdicht ab. Zudem sieht er wunderschön aus!

Der Nachteil: wir müssen etwas Geduld haben (es gibt eine Warteliste) und sein Preis ist der Qualität entsprechend: hochwertig.

Heute hat das Warten ein Ende: der Postbote steht mit einem riesigen und recht schwerem Paket vor der Tür, verlangt eine Unterschrift und stellt das Bündel ab. Auch unsere fleissigen neuen Mitbewohner, die Würmchen der Gattung eisenia foetida von wurmidee.de, sind da!

Sofort sollen sie ihr neues Domizil beziehen: den Komposter.

Elie schlüpft lautlos zur Tür hinaus. „Bin bei Anna!“ ruft er uns durchs Treppenhaus zu, als er schon im dritten Stock ist. Obwohl außerordentlich umweltbewusst und ökologiebewegt, hat Elie doch vor Regenwürmern eine panische Angst. Dass auch bei Anna bereits ein Wurmkomposter in der Küche steht, verdrängt er gern.

„Mach das Paket auf!“ zetert Anatol und springt aufgeregt um den riesigen Karton herum. Er kann kaum abwarten, das ersehnte Gerät endlich vor sich zu haben! Vorsichtig schneide ich die Papp-Verpackung auf (diese darf sofort als Wurmfutter weiterverwertet werden, fressen die fleißigen kleinen Helferlein doch in Wasser eingelegten Karton für ihr Leben gern!) und ziehe die schön verarbeiteten Einzelteile unseres Komposters heraus.

Um unerwünschte Interaktionen mit unseren bepelzten Mitbewohnern zu vermeiden, wird der Komposter in die Vorratskammer gestellt. Dort kommt zunächst das Substrat – das ist einfach Erde – mit den Würmchen in die unterste Komposterschale. Darüber legen wir eingeweichte, ausgewrungene Kartonstückchen. Darunter können die Kleinen sich verstecken – was sie auch unverzüglich tun. Im Handumdrehen sind die Winzlinge in der Erde verschwunden!

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Ein erstes Zwischengitter wird auf die Schicht mit den Kartonstückchen gelegt – dann bereitet Anatol das erste Menü für seine neuen Schützlinge vor. Heute gibt es kleingeschnittene Gurkenschale! Diese serviert Anatol sofort.

 

Nun kommt der Deckel auf den Komposter – und es heisst warten. Ich beginne, das Abendessen vorzubereiten; auf den Butler kann ich heute Abend nicht zählen. Nervös hüpft er vor der Vorratskammer auf und ab.

„Meinst Du, sie haben schon was gefressen?“ fragt er aufgeregt.

„Anatol, die Würmer müssen erst mal ankommen. Lass sie in Ruhe. Sie haben eine lange Reise hinter sich und wollen sich ausruhen.“

Seufzend gebe ich etwas Essig und Öl auf die Gurke, die nach Abzweigung des Wurm-Anteils für mich übrig geblieben ist.

Nach 30 Minuten hält Anatol es nicht mehr aus. „Ich will jetzt sehen, ob es ihnen gut geht! Vielleicht fehlt ihnen etwas! Haben sie eigentlich ausreichend Wasser?“ knurrt er mir gereizt zu.

Ich erlaube – nun selbst neugierig geworden – eine kurze Stippvisite im Wurmkomposter, bei der Anatol auch etwas Wasser mit unserer Sprühflasche auf das Substrat sprengen darf.

In der Tat sind etliche Würmchen an die Oberfläche gekommen und tummeln sich in den Kartonstücken. Zzzzzzzssss! Kaum dass das Wasser hineingesprüht wird, schlängeln sie sich in Windeseile in ihr Substrat hinein.

Sprühen werden wir nun jeden Tag ein wenig, denn Trockenheit bekommt den Würmchen überhaupt nicht.

Wir werden über das Befinden unserer fleißigen neuen Mitbewohner natürlich weiter berichten!

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160. Kapitel – Großreinemachen reloaded: der Kondenswasserbehälter

Was bisher geschah, lest Ihr hier!

Schon oft habe ich von Anatols grandiosen Putzaktionen berichtet. Der Saurier liebt es, wenn sein Heim blitzt und blinkt – dazu verwendet er gern Putzmittel ohne Chemie. Wo Anatol seine geschätzten Haushaltshelferchen kauft, werden wir in einem anderen Post berichten!

Heute wollen wir uns jedoch einem anrüchigen Thema widmen, von dem wir hoffen, dass keiner unserer Leser je damit in personam konfrontiert werden möge. Falls dies doch geschehen sollte: hier die Anleitung zu dem, was dann zu tun ist.

Seit Wochenbeginn (ich berichtete) ist unsere Wohnung kaum noch zu betreten. Ein pestilenzartiger Gestank durchzieht das ganze Appartement, wobei besonders die Küche betroffen ist. Ausgedehnte Suchaktionen (in den Lüftungsschlitzen, der Rumpelkammer, unter und hinter den Möbeln) haben keine Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen Quelle gebracht. Der Verwesungsgeruch wird von Tag zu Tag schlimmer – es ist klar, dass wir hier nicht länger leben können, wird das Problem nicht umgehend behoben.

Nach unserer schönen Fahrradtour entlang der Murg waren wir gestern gegen 21 Uhr erschöpft nach Hause gekommen. Ob der unerträglichen Geruchsbelästigung hatte Anatol sich ungeachtet seiner Müdigkeit auf die Suche gemacht, mit dem festen Entschluß, nicht abzulassen, bevor er der Sache nicht auf den Grund gegangen sei.

Als der Kühlschrank von der Wand abgerückt ist, tritt die Geruchsquelle zu Tage:

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Ein mir bis dahin völlig unbekannter Behälter unten am Kühlschrank an der hinteren Wand ist randvoll gefüllt mit „etwas“, das ich auch heute nur mit angehaltenem Atem als in höchstem Maße ekelerregend beschreiben kann.

Ein erster Reinigungsversuch endet mit starkem Würgereiz – und Flucht. Uns wird klar, dass wir des Problems wenn überhaupt nur mit einer angemessenen Ausrüstung, möglicherweise sogar im Schutzanzug, Herr werden können.

Wir versiegeln die Küche und beschließen, erst am nächsten Morgen den Kampf gegen das Grauen  unter dem Kühlschrank aufzunehmen.

Als der Tag anbricht und die ersten Sonnenstrahlen unseren Balkon vergolden, wissen wir, dass das Ende des Gestanks gekommen ist. Wir frühstücken beim Bäcker – unsere Küche kann nicht mehr genutzt werden. Dann entsiegeln wir die Küchentür.

Hinter mir ertönt ein Rascheln – dann das Klicken der Haustür.

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Elie verlässt eilig die Wohnung. Seine Geruchstoleranzschwelle ist offenbar erreicht.

Ich entferne alle Gegenstände aus der Küche – sie sollen nicht mehr benutzt werden, bevor sie nicht abgekocht, desinfiziert und gründlich gereinigt sind. Ob dies aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist, weiss ich nicht; Anatol will jedoch keines der Utensilien wieder anrühren, so lange es nicht peinlichst gesäubert ist.

Der Saurier hat indessen im Internet recherchiert und ist bei „Frag-Mutti.de“ fündig geworden:

Gestank durch Kühlschrank / Wasserauffangbehälter

Moderne Kühlschränke haben einen Auffangbehälter für Kondenswasser, welches meist an der inneren hinteren Wand entsteht. Der Kondensatbehälter ist meist offen und befindet sich hinter dem Kühlschrank meist direkt auf dem Kompressor.

Wenn das Wasser nicht schnell genug verdunstet, fängt es an zu faulen und produziert undefinierbaren Mief, bevor es irgendwann einen penetranten fäkalartigen Gestank verbreitet.

Die Beschreibung entspricht in allen Punkten der vorliegenden Situation.

Nachdem wir den Artikel durchgelesen haben, wissen wir, was zu tun ist. Der Kondenswasserbehälter muss entleert, gesäubert und ent“duftet“ werden, danach kann man ihn wieder einbauen und das Problem sollte behoben sein.

Nur wohin mit der reichlich vorhandenen „dickflüssigen Masse“, die ich hier nicht näher beschreiben möchte? Wie entferne ich sie überhaupt aus dem Behälter, ohne sie zu verschütten? Wieder ergreift mich der Würgereiz.

„Das muss man mit Klopapier aufsaugen, wegwerfen und dann ausputzen!“ weiss der Butler und hat auch schon die notwendigen Hilfsmittel zusammengestellt.

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Dann nähert sich der Butler todesmutig dem Kühlschrank. Ein Luftstoß aus dem Flur lässt Anatol eine regelrechte Duftwolke entgegenschlagen. Panik, Ekel und Würgereiz ergreifen den Saurier – er dreht sich auf dem Absatz um, rennt fort und springt mit einem Satz auf den Fenstergriff, wo er die frische Luft begierig einatmet.

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Ich seufze. Offenbar bleibt der härteste Teil des Einsatzes wieder einmal an mir hängen.

Dank der von Anatol klug zusammengestellten Ausrüstung gelingt es mir, mit Klopapier zuerst den größten Teil der „Masse“ aus dem Behälter aufzusaugen und sofort wegzuwerfen. Gummihandschuhe leisten mir dabei gute Dienste.

Achtung, diese Arbeit kann nur von außerordentlich hartgesottenen Mitmenschen durchgeführt werden!

Als das Schlimmste entfernt ist, gelingt es mir, ohne die grauenerregende Reste zu verschütten, die Auffangschale aus ihrer Halterung zu lösen bzw. abzuklipsen.

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Nun kann selbige im Seifenbad mit viel ätherischem Orangenöl eingeweicht werden.

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Was die widerlichen angetrockneten Reste sind, die man noch erkennen kann, wollen wir nicht so genau wissen.

Anatol rückt indessen mit einem seiner Lieblingsutensilien an, um unter dem Kühlschrank sauberzumachen.

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Nach einem längeren Verbleib im Chlorbleichebad ist die Auffangschale wieder einsatzbereit. Ich klipse sie auf ihren Kondensator, schiebe den Kühlschrank zurück an die Wand und atme die frische, geruchslose Luft ein.

Anatol stösst ein erleichtertes Seufzen aus. „Ich glaub, wir haben es geschafft! Es riecht nicht mehr!“

Seit Tagen habe ich mich in unserer Wohnung nicht mehr so wohl gefühlt.

„Anatol, woher mag denn diese grauenvolle Soße in der Auffangschale gekommen sein? Sowas passiert doch nicht „einfach so“ – oder?“

Der Saurier druckst verlegen herum. Offenbar weiss er etwas, das er mir nicht sagen will. Ich bestehe indessen auf einer Antwort.

„Nun ja … da war letztens etwas. Und zwar war beim Auftauen des Katzenfutters …“ hier stockt der Butler. Anatol stellt eigens für die Katzen ein ernährungsphysiologisch wertvolles Rohfleischfutter, auch BARF („biologisch artgerechte Rohfütterung“) genannt, her.

„Was war da …?“ frage ich drohend.

„Also es ist ausgelaufen. Aus der Gefriertüte. Sie ist im Kühlschrank umgekippt und alles ist raus. Ich habe natürlich den ganzen Kühlschrank ausgewischt und geputzt!“ beeilt sich der Butler hinzuzufügen. „Aber da war muss wohl einiges schon in die Kondenswasserauffanganlage hineingeflossen sein.“

Ich fühle mich gerade so, als müsse ich schnellstens die Keramikabteilung unserer Wohnung aufsuchen. Mein Magen dreht sich schon wieder um.

„Der Unfall hätte genauso bei fleischfressenden Mitbürgern passieren können!“ zetert Anatol. „Was da ausgelaufen ist, hatte alles Lebensmittelqualität!“

„Hatte, Anatol“ seufze ich. „Hatte.“

148. Kapitel – Die Fahrradkette

Ein verregnetes, kaltes Osterwochenende hat Anatols Laune auf den Nullpunkt sinken lassen.

Zeternd und schimpfend ist er in der Küche verschwunden, nachdem ich die alljährliche Ostereiersuche im Park wegen Dauerregens abgesagt und mich dann auch noch ins Büro verabschiedet hatte, um dort endlich mehrere liegengebliebene Akten zu ordnen und wegzuräumen.

Gegen 17 Uhr – pünktlich zum Tee – erscheine ich wieder zu Hause, in der Hoffnung, eine gemütliche Teestunde mit den Sauriern zu verbringen.

Anatol sitzt indessen griesgrämig am Schreibtisch – in die Monatsabrechnung vertieft. Elie hat sich mit seinem Buch – „Kapitän Bontekoes Schiffsjungen“ – in sein Nestchen verkrochen und schmökert. „Ist gerade ganz spannend!“ ruft er. „Ich will keinen Tee – muss weiterlesen!“

Ich setze das Teewasser auf und stelle die Tassen auf den Tisch. „Gibt es denn keinen Kuchen …?“ frage ich Anatol, meine Enttäuschung kaum verbergend.

„Nein, es gibt keinen Kuchen!“ pampt mich der Saurier an. „Ich habe auch noch anderes zu tun, als Kuchen zu backen und den Haushalt zu führen! Deine Monatsabrechnung ist diesmal eine einzige Katastrophe. Für die werde ich noch bis heute abend brauchen! Ist es denn zu fassen – Du hast diesen Monat nicht eine, auch nicht zwei, sondern gleich drei – in Worten: DREI! – neue Jeans gekauft! Wie geht das eigentlich mit Deinem angeblichen Minimalismus zusammen?“

Wutschnaubend vertieft sich das Untier wieder in Kassenzettel, Quittungen und Kontoauszüge – und unterstreicht seine Rage durch penetrantes Rascheln in dem Papierberg.

Ein wenig beschämt sehe ich an mir herunter und betrachte meine wunderschöne neue Jeans. Sie sieht nicht nur großartig aus, sie passt auch vorzüglich. Nichts engt ein, nichts kneift. Eine Offenbarung, nachdem ich meine geliebten alten Jeans nur noch unter Qualen und massiver Kraftaufwendung hatte anziehen und zumachen können – von Wagnissen wie sich damit hinzusetzen ganz zu schweigen.

Ich setze zur Gegenwehr an. „Du bist schuld, Anatol! Wenn Du nicht ständig diese fettigen Bratkartoffeln … “ hier werde ich werde unterbrochen: der Saurier stößt einen Wutschrei aus.

„Ja ist es denn zu fassen?“ poltert er los. „Du hast schon wieder eine neue Fahrradkette aufziehen lassen!? Die letzte war doch erst im Oktober! Das ist einfach nicht möglich – drei Fahrradketten in nicht mal anderthalb Jahren!“

Anatol hat den Kassenzettel des Fahrradladens entdeckt.

Ich hatte mich selbst gewundert, dass die Fahrradkette schon wieder hatte gewechselt werden müssen. Am Samstag war ich mit dem Fahrrad in der Stadt gewesen und hatte es bei dieser Gelegenheit bei der Radwerkstatt vorbeigebracht. Seit einiger Zeit war mir nämlich aufgefallen, dass in manchen Gängen die Kette (oder der Zahnkranz? das war schwer auszumachen…) etwas durchrutschte. Um keinen größeren Schaden zu erleiden hatte ich das Rad lieber dem Spezialisten gezeigt und ihm das Problem beschrieben.

Der Reparateur war kategorisch gewesen: laut Verschleißlehre sei die Kette abgenutzt und müsse ausgetauscht werden. Seufzend hatte ich der Reparatur zugestimmt und war 15 Minuten später mit einem neu beketteten, geölten und perfekt aufgepumpten Rad fröhlich pfeifend direkt zum Jeansladen weitergefahren.

Die dabei produzierten Kassenzettel hatte das Untier nun in meinem Portemonnaie entdeckt – gehört doch die monatliche Abrechnung zu seinen Aufgaben.

„Wenn Du mir jetzt weismachen willst, die Kette sei auch durch meine „fettigen Bratkartoffeln“ abgenutzt worden, werde ich wütend!“ zischt der Butler giftig.

Nun pfeift zum Glück der Wasserkessel – ich eile in die Küche und brühe den Tee auf.

Dann erkläre ich dem Saurier mit Nachdruck, dass sowohl der Jeanskauf als auch die Reparatur der Fahrradkette unabdingbare Investitionen gewesen seien und dass ich darüber nun weiter nicht diskutieren werde. Allerdings schlage ich dem Butler vor, wegen der Fahrradkette im Radforum nachzulesen – dort fände sich vielleicht eine Lösung? In der Tat erfreut mich die Aussicht auf einen halbjährlichen Kettenwechsel nicht. Das Kettenproblem muss gelöst werden.

Anatol lässt die Monatsabrechnung auf dem Schreibtisch liegen und setzt sich zu mir an den Teetisch. Obwohl ich das normalerweise nicht dulde, knipst er das Laptop an und sucht die Webseite des Radforums. Da seine geradezu unterirdische Laune sich nun zumindest etwas hebt, lasse ich ihn diesmal gewähren.

Nachdem eine kurze Suche nach „Kettenwechsel“ und „Kettenabnutzung“ nicht erfolgreich ist, entschließt sich Anatol, ein neues Thema zu erstellen und die Frage des ständigen Kettenverschleißes direkt an die Spezialisten zu richten. Da ich bereits im Radforum Mitglied bin, kann Anatol problemlos unter meinem Pseudonym posten.

Dann genießen wir endlich in Frieden unseren Tee.

Als ich noch einmal zum Teeaufbrühen in die Küche gehe, wirft Anatol einen Blick in das Radforum. Ob wohl schon jemand auf seine Frage geantwortet hat? Aufgeregt rutscht der Saurier auf seinem Stuhl herum. „Da steht was!“ ruft er in die Küche. „Es hat jemand geantwortet!“

Gespannt gieße ich das kochende Wasser in die Teekanne, als ein markerschütternder Wutschrei aus dem Wohnzimmer ertönt. Ich lasse beinahe den Wasserkessel fallen und verschütte das restliche heisse Wasser – glücklicherweise nur über die Küchenanrichte. Fluchend suche ich nach einem Lappen. Es ist glimpflich ausgegangen – ich hätte mich selbst oder einen der Saurier, hätte er auf der Anrichte gestanden, böse verbrühen können. Ich wische die Überschwemmung auf und kehre mitsamt der Teekanne zu einem tobenden Anatol ins Teezimmer zurück.

„Bist Du von allen guten Geistern verlassen, Anatol? Was soll das Gebrüll?“

Anatol antwortet nicht. Voller Wut tippt er auf die Tastatur ein. Da ich nichts Gutes ahne, drücke ich ungerührt den „Aus“-Knopf. Mit einem melodiösen Summen verabschiedet sich der Laptop in den Ruhezustand.

Ein lauter Fluch des Sauriers ist die Antwort. „Jetzt ist mein Beitrag weg! Dabei muss ich darauf reagieren, was der da geschrieben hat! Das glaubst Du nicht!“ Anatol springt aufs Laptop und versucht, das Gerät wieder zum Laufen zu bringen. Ich nehme den Computer an mich und stelle ihn auf den Schrank.

„Schluss jetzt damit. Hat jemand unser Fahrrad wieder als alten Schrott bezeichnet? Das kennst Du doch schon. Darüber braucht man sich nicht aufzuregen.“

„Nein! Das war es nicht. Der hat geschrieben, meine Frage sei wieder mal typisch Frau und unverständlich! Männer könnten kurz und knapp das Problem beschreiben, bei Frauen müsse man das erahnen! Den nehm ich mir vor! Erstens ist das total frauenfeindlich! Und zweitens bin ich keine Frau! Ich kann technische Zusammenhänge erklären!“

Mit einer spitzen Bemerkung mache ich Anatol auf den leichten Widerspruch des eben Gesagten aufmerksam. Anatol wird puterrot und murmelt etwas von „nicht so gemeint!“.

Dann kommt die Wut wieder durch: „Dem erzähl ich was!“

Da Anatol unter meinem Pseudonym geschrieben hatte, mussten die Forenmitglieder fälschlicherweise glauben, hier schreibe eine Frau. Dass dies kein Grund für Macho-Bemerkungen ist, versteht sich von selbst. Leider ist das Miteinander im Internet nicht immer so, wie man es gern hätte.

Ich erkläre Anatol, dass – wie er ja bereits aus dem Woodworkerforum wisse – der Umgangston in manchen Foren sehr rauh sei. Dass das Beste immer noch sei, darauf nicht einzugehen. Schließlich stünde man über derlei Gerede.

Indessen hat es weitere Kommentare gegeben, darunter auch sehr hilfreiche für unser Problem. Ein freundlicher und kompetenter Fahrradkenner schreibt, dass Radlerinnen oft geduldiger und genauer die aufgetretenen Probleme schildern. Hier atmet Anatol auf!

Als Quintessenz ergibt sich, dass wir nun häufiger die Kette werden schmieren und pflegen müssen, und zwar mit Trockenschmierstoff – nicht mit dünnem Nähmaschinenöl.

Da sich die Saurier ihre perfekt manikürten Plüschpfoten nicht mit Kettenfett beschmutzen wollen, wird dies wohl meine Aufgabe sein.

71. Kapitel – Anatol heimwerkt I

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Nach mehreren Besuchen bei Ikea steht fest: Anatol bekommt keine neue Küche. Anatols Traumküche existiert nicht mehr, und die vorhandenen Küchen sind allesamt enttäuschend.

Die Küchenzeile bleibt daher so, wie sie ist. Anatol meint, er werde dort gewisse Verbesserungen anbringen können, ohne eine vollständige Umgestaltung vorzunehmen. Ich bestärke ihn in diesem Vorhaben.

Anders sieht es jedoch mit unserem Wintergarten aus. Dessen Einrichtung ist außerordentlich unbefriedigend: Der Wintergarten wird beherrscht von Katzenkörben, dem Katzentisch und 4 (in Worten: vier) Katzenklos.

Anatol schlägt daher vor, den Wintergarten in weiterhin katzengerechter, aber doch wohnlicher Art und Weise ganz neu auszugestalten. Dies bedeute zu allererst eine Verkleidung der wenig dekorativen Katzenklos.

Ich bin begeistert von dieser Idee. Der Wintergarten ist bisher der stiefmütterlich behandelte Raum unserer Wohnung. Genutzt wird er nur für die Katzen. Da es im Wintergarten im Sommer sehr heiss und im Winter empflindlich kalt wird, halten sich die Katzen jedoch dort nur selten auf. Eine Neueinrichtung, die mehr auf meine und die Bedürfnisse der Butler abgestimmt ist, erscheint daher angebracht.

IMG_2881Unser erster Gang führt uns in den Baumarkt – zu Toom. Hier wählt Anatol eine geölte Akazienholzplatte aus, die er auf die Maße 120×60 zuschneiden lässt.

Mit zwei 120cm langen Akazienholzplatten kommen wir zuhause an. Anatol hat zusätzlich Seitenteile aus Fichtenholz zuschneiden lassen, die er mit einem Farböl täuschend echt an die natürliche Färbung der Akazienplatte anpasst.

Da das Farböl sich ansonsten aber nicht wie ein Öl verhält, sondern eher wie eine Beize, begibt Anatol sich ins Woodworker-Forum, um Rat von Profis einzuholen. Nach dem obligatorischen Anschiss von übellaunigen Heimwerkerkollegen, den Anatol wie üblich etwas entnervt über sich ergehen lässt, kommt glücklicherweise Winfried zur Hilfe. Winfried weiss alles über Öle, Wachse, Lack und Holz. Auf seiner sehr hilfreichen Webseite erklärt er einfach und freundlich alles, was man über das Thema wissen muss. Im Woodworkerforum hat er uns schon mehrfach weitergeholfen. Seine Freundlichkeit und Kompetenz sind legendär – Anatol hält daher große Stücke auf ihn und fragt ihn um Rat, sobald er nicht mehr weiterweiss.

Auch heute kann Winfried wieder einmal helfen. Er rät Anatol, weiter zu schleifen und zu ölen – so sollte doch noch das Beste aus dem Holz zu machen sein.

Insgeheim möchte Anatol sich gerade ohrfeigen, Winfried nicht vor dem Kauf des Farböls um Rat gefragt zu haben.

IMG_2899Dies ist nun nicht zu ändern. Während das Leinöl in die gefärbten Fichtenplatten einzieht, bereitet Anatol die Halterungen für die Seitenteile vor; dann schraubt er diese fest.

Schließlich kann der Tisch umgedreht werden und sieht nun so IMG_2900aus:

Anatol ist stolz auf seine Handwerkskunst.

Ich hingegen bin skeptisch. Der Tisch ist massiv und nimmt – zumindest optisch – viel Platz in Anspruch. Der Rest des Raumes muss daran angepasst werden.

Eine weitere Heimwerkerarbeit wird sich daher an die hier dargestellte anschließen: Anatol beabsichtigt, einen Bar-Tisch zu bauen. Er soll aus der zweiten, noch übrigen Akazienholz-Platte hergestellt werden.

So umfangreiche Umwälzungen habe ich noch nie in dieser Wohnung vorgenommen. Etwas mulmig ist mir daher bei dem Vorhaben.

Anatol ist das jedoch egal. Er plant bereits den nächsten Besuch bei Toom.

zur Fortsetzung!