Ein trister, wolkenverhangener Januarsonntag ist verstrichen. Anatol und ich haben uns am späten Nachmittag entschlossen, eine kleine Sonntagsspazierfahrt zu unternehmen und auf dem Rückweg zum 5 o’clock Tea im Café Brant einzukehren.
Elie ist heute bei Mirko – dort versucht er sich davon abzulenken, dass seine geliebte Anna dieses Wochenende Besuch von Angelo hat. Der Überflieger wird Anna vermutlich von seinem Semester in Harvard und seinen Forschungsarbeiten erzählen – damit kann Elie nicht mithalten. Ob die Berichte aus Harvard Anna allerdings wirklich fesseln werden, da sind Anatol und ich uns nicht sicher. Elie fürchtet hingegen die Konkurrenz des Cracks.
Nach einer kurzen Radtour durch die Dämmerung erreichen wir das Café Brant. Alle Tische sind besetzt – geschäftig laufen die Kellner mit ihren Tabletts durch den Saal, servieren Kaffee, Kuchen und verfrühte Apéritifs.
Da – ein Tisch wird frei. Anatol springt unbemerkt unter Tischen und Stühlen durch das Café und hüpft auf den Tisch. Dann zieht er sich flugs meinen Schal, den er sich vorher geschnappt hatte, über und verschwindet vollständig darunter – der Tisch ist reserviert! Wie oft habe ich dem Untier verboten, dies zu tun – und ihm erklärt, dass derlei Taten von sehr schlechtem Benehmen zeugen! Genutzt hat es nichts… Ich seufze. Dann setze ich mich an den Tisch, insgeheim froh über das eigenmächtige Handeln des Sauriers.
„So etwas gehört sich nicht!“ zische ich dem Übeltäter zu. „Papperlapapp!“ flüstert dieser. „Willst Du noch ewig auf einen Tisch warten? Ich möchte nicht erst in einer Stunde Tee trinken!“
Während ich versuche, dem Kellner klarzumachen, dass ich zwar auf niemand weiteren warte, aber dennoch zwei Tassen für den Darjeeling haben möchte, wühlt der Saurier in meiner Tasche herum. Triumphierend streckt er mir mein Tablet entgegen. „Das habe ich extra eingepackt! Schließlich ist die Geschichte von Pelle, unserem Luchs, immer noch nicht zuende geschrieben. Das kannst Du jetzt tun. Ich trinke derweil den Tee und beobachte Leute. Vielleicht seh ich mir das Café auch mal näher an …!“
Es stimmt: unser Luchs-Abenteuer war unterbrochen worden und wartet immer noch auf seine Auflösung … Ich knipse das Tablett an und beginne zu tippen.
Der Kellner bringt unseren Tee – wir bekommen sogar die erbetenen zwei Tassen. Nun sehe ich, dass Anatol gar nicht mehr unter meinem Schal versteckt auf dem Sessel sitzt, sondern sich heimlich entfernt hat! Etwa drei Tische weiter sehe ich ihn, wie er zwischen den Beinen der Gäste hindurchschlüpft, dem einen oder anderen frech am Hosenbein zupft und sich dann feixend hinter einer buschigen Grünpflanze versteckt. Ich stöhne. Was, wenn das Untier entdeckt wird?
Das Beste ist immer noch, dem Saurier keine Aufmerksamkeit zu schenken. Er wird – so hoffe ich – seine Frechheiten beenden, sobald ich mich in meine Luchs-Geschichte vertieft habe. Ein anderes Publikum als mich hat das Tier ja nicht – will es doch von niemandem bemerkt werden.
Nun vertiefe ich mich in die Geschichte von Pelle, dem Luchs … weiterlesen