30. Kapitel – Entrümpelungen

IMG_1992Anatol und Elie haben beschlossen: heute beginnt der Frühjahrsputz. Nicht das übliche Großreinemachen – nein: es soll eine großangelegte Entrümpelungsaktion werden, die sich notfalls auch über mehrere Tage erstrecken darf.

Ich bin skeptisch. Derlei Vorhaben beginnen meist mit viel Enthusiasmus und versanden dann – angesichts des Ausmaßes der Gerümpelmisere – in einer halbherzigen Putz- und Wischaktion. Zwar ist die Wohnung danach sauberer – aber nachhaltiges Entrümpeln ist etwas anderes.

Dennoch sind Anatol und Elie guten Muts, dass es heute gelingen wird, unerwünschtes Gerümpel für immer aus der Wohnung zu verbannen.

Ich bin gespannt.

Die beiden Butler machen sich ohne Zögern an die Arbeit. Sie finden, der neuralgische Punkt der Wohnung sei mein Bett, und dieses solle als erstes bearbeitet werden. Das wundert mich. Was soll mein Bett denn haben…?

„Dein Bett ist ein Gerümpel-Hort“, sagt Elie. „Guck doch mal drunter – oder besser: versuch mal, drunterzugucken! Es ist total Anti-Feng-Shui! Ein Bett darf keinen Krempel beherbergen, und noch weniger darf man solchen unter dem Bett verstauen.“

Elie hat Recht. Unter das Bett kann man nicht gucken, denn da befinden sich 4 große Bettkästen, die gut gefüllt sind mit Decken, Verlängerungskabeln, Kissen, Bettbezügen – und vielen, vielen Katzenhaaren. Schlimmer noch ist, was sich unter den Bettkästen auf dem Fußboden befindet. Es handelt sich dabei um einen Mix aus Katzenspielzeug, Katzenhaaren, Staub – und ca. einem Kilo Kieselgur, den ich dort vor einem Jahr verteilt habe, um einen Parasitenbefall zu beseitigen. Kieselgur sei, so las ich es im Internet, eine völlig natürliche, ungiftige Substanz, die gegen Insekten sehr wirkungsvoll sei. Wir hoffen, dass dies der Wahrheit entspricht, denn es ist schwer nachzuprüfen.

Was allerdings offensichtlich ist, ist dies: Kieselgur gewährleistet mit 100%iger Sicherheit eine ganz unglaubliche Sauerei in der Wohnung. Kieselgur ist so fein, dass er einfach überall hineindringt. Er staubt ungemein und legt sich wie eine feine Bimssteinschicht über alle Möbel.

Diesen Kieselgur gilt es nun zu entfernen – ohne dabei im wahrsten Sinne des Wortes zu viel Staub aufzuwirbeln.

Anatol und Elie ziehen als erstes die Bettkästen unter dem Bett hervor. „Oh weh“, seufzt Elie. „Wohin soll das denn nur alles…“ Ich denke das Gleiche, sage aber lieber nichts. Defätistische Äußerungen sind  nicht erwünscht.

Unter dem Bett offenbart sich das bisher gut gehütete Grauen. Die Kieselgur-Schicht ist etwa 1 cm dick – Anatol betätigt den Staubsauger, der auf den Kieselgur sehr ungehalten reagiert: er verstopft nach 10 Sekunden. Ich bekomme Angst um mein wunderbares Gerät und verbiete seine weitere Nutzung. Der Kieselgur muss per Hand entfernt werden.

Elie hält das Schäufelchen, Anatol fegt mit dem Handfeger. Ich wische direkt die verbleibende Kieselgurschicht auf. Da dies alles unter dem Bett stattfindet, liegen wir auf dem Bauch und versuchen, so gut es geht, an alle Kieselgur-Reste zu gelangen.

Dabei finden wir leider auch einige bisher unentdeckte „Katzen-Unfälle“, deren Urheber mit großer Sicherheit Tonio ist. Auch diese werden beseitigt.

Schließlich setze ich den Kärcher ein, um den Rest des Kieselgur-Gesindels aus den Ecken zu treiben.

IMG_2002Die erste Etappe ist geschafft. Unter dem Bett ist alles sauber! Dies ist sehr erfreulich.

Nun zur zweiten Etappe: wohin mit dem Inhalt der Bettkästen (und den Kästen selbst!), den man hier rechts im Bild sieht? Alles können wir ja nicht wegwerfen – viele der Dinge werden noch gebraucht!

Anatol ist unerbittlich: er sortiert gnadenlos die für uns unnützen Dinge aus. Was noch gut ist, aber hier nicht gebraucht wird, kommt in einen Karton, der später zu Emmaüs (die französische Variante der Caritas) gebracht werden soll.

Der Rest wandert in die Tonne, die zur Déchetterie, d.h. zum Schrottplatz kommt.

IMG_1999Indessen hat Elie die Bettkästen ausgewischt und – weil wir in der Wohnung zum Putzen Platz brauchen – ins Treppenhaus gestellt.

Drei hat er schon rausgeschafft- ich weiss gar nicht, wie der kleine Kerl das ganz allein hinbekommen hat.

Das Wischwasser ist nun getrocknet. Der Boden ist weiss – der Kieselgur ist immer noch da.

Wir wischen insgesamt 5 mal – nun ist der Boden ansatzweise sauber.

Anatol zückt einen Schraubenzieher und zerlegt die Bettkästen vorsichtig in ihre Einzelteile. Die Bretter, die nicht viel Platz wegnehmen, können in unserem Küchenkabuff verstaut werden.

Nun habe ich ein herrlich luftiges Bett, unter dem Luft zirkuliert und das daher ganz „Feng Shui“ ist.

Heute Nacht werde ich darin sicher wunderbar schlafen – das hoffe ich zumindest!

28. Kapitel – Feng Shui II

IMG_1982Anatol sagt mir gerade, dass wir uns eigentlich entschuldigen müssen für unseren Beitrag von gestern. Und zwar bei den Anhängern des traditionellen Feng Shui, die die daoistische Lehre studiert haben und danach leben.

Auf keinen Fall wollten wir diese jahrtausendealte, komplexe chinesische Harmonielehre in irgendeiner Weise lächerlich machen. Besonders Anatol interessiert sich sehr für die chinesische Kultur, was sich in seiner Liebe zum Tee und zur chinesischen Teezeremonie Gong Fu Cha ausdrückt. Hierzu aber später.

Der Beitrag von gestern wirft – so findet Anatol nun – die neuzeitliche „Minimalismus-Bewegung“ und die Philosophie des Feng Shui in einer etwas respektlosen Weise zusammen.

Aber so war es nicht gemeint. Wir wollten die beiden Theorien nicht einfach so „über einen Kamm scheren“ oder gar unreflektiert vermischen.

Dennoch gibt es Berührungspunkte zwischen Minimalismus und Feng Shui. Minimalismus hat mit der Lehre des Feng Shui zumindest dies gemeinsam: die ganz bewusste Einrichtung und Ausrichtung von Wohnraum mit wenigen Gegenständen, die etwas aussagen und die eine Bedeutung, einen Hintergrund haben. Zufällig zusammengewürftelten Krimskrams gibt es dort nicht. Auch im Feng Shui ist nur Platz für das Wesentliche.

Diese Gemeinsamkeit ist für uns wichtig. Denn eben dieser Punkt soll bei unserer neuen Wohngestaltung zum Tragen kommen.

Wir dürfen nun gespannt sein.

Eben hat Anatol jedenfalls den ersten gelben Sack zugebunden und vor die Tür gestellt. Was wir für einen Papier- und Kartonkrempel hier rumfliegen hatten … das gibts gar nicht. Der zweite gelbe Sack wird jetzt sofort zum Einsatz gebracht. Denn es geht weiter mit dem Entrümpeln.

27. Kapitel – Feng Shui I

„Entrümple Dein Leben“ – diesen Slogan hat Anatol im Internet entdeckt. Zu lesen bekommt man ihn auf Seiten über den neuen „Minimalismus“ wie Simplify your life, in Blogs wie z.B. Becoming minimalist oder auch in der ganzheitlichen Lebenslehre des Feng-Shui.

Anatol ist begeistert vom Minimalismus. Sofort will er die neuen Ideen in die Tat umsetzen. Ihm schwebt eine Umgestaltung der Wohnung in etwas wie diesen Tempel der Wohnkultur vor.

Ich muss Anatol enttäuschen. Eine solche Einrichtung werden wir niemals haben. Dafür sorgen bereits unsere pelzigen Mitbewohner, die von meinen Freunden als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet werden. In Bezug auf schöne Möbel werden sie dieser Bezeichnung leider gerecht.

Doch was bedeutet „Minimalismus“?

Es handelt sich dabei nicht einfach um Aufräumen. Nein, es geht um „Loslassen“, um „Weniger besitzen“. Die Engländer nennen es „de-own“ – die  eigenverantwortete, bewusste Selbstenteignung, um es in ordentlichem Juristendeutsch auszudrücken.

„Wozu soll das gut sein?“ fragt Elie. „Schließlich habe ich lange gespart, um mir endlich meinen tollen Chèche zu kaufen! Und nun soll ich den weggeben? Nein – ohne mich!“

IMG_1537Elie hat in der Tat lange Zeit seine Steinzeittaler angespart, weil er in einer Boutique einen wunderschönen tunesischen Wüstenschal (den „Chèche“) gefunden hatte, den er beim Sommer-Treffen der „Söhne der Wüste“ tragen will. Der Chèche ist sein ganzer Stolz, und um nichts in der Welt würde er ihn hergeben.

Ich versuche, es Elie zu erklären. „Elie, auf keinen Fall musst Du Deinen Chèche abgeben. So funktioniert Minimalismus nicht. Es geht um etwas anderes, nämlich darum, Sinnloses und Überflüssiges hinter sich zu lassen.“

Anatol pflichtet mir bei. „Ein Chèche ist gut. Zehn Chèches, die Du nie trägst, ist Anti-Minimalismus. Und das wollen wir nicht mehr.“

Nun wird Elie etwas ungehalten. „ICH habe nur einen einzigen Chèche. Und sonst habe ich GAR kein Kleidungsstück. Dieser Minimalismus geht mich deshalb nichts an. Die einzige Person, die hier Kleidung in 100facher Ausführung besitzt, so dass die Schränke überquellen und alles an den Türen hängen muss, weil in die Schränke nicht einmal mehr ein hauchdünnes Pfefferminzblättchen hineinpasst – von den Schuhen mal ganz zu schweigen! – ist Susanne!“

Elie hat damit ins Schwarze getroffen. Betreten schaue ich zu Boden. „Elie, Du hast ja recht. Es geht hier vor allem um mich und meinen Kram. Er nimmt einfach zu viel Platz weg. Und daran wollen wir etwas ändern. Ich habe ja schon beschlossen, in diesem Jahr kein einziges neues Kleidungsstück zu kaufen. Bisher habe ich mich daran gehalten.“

Elie bemerkt etwas spitz, dass es mit dem „nichts Neues mehr kaufen“ ja schön und gut sei – dass aber eine sinnvolle Nutzung der Wohnung seiner Meinung nach erst wieder möglich sei, wenn mindestens ein Drittel der vorhandenen Kleidungsstücke entfernt würde. Ich schlucke.

Anatol erinnert nun daran, dass der materielle Teil (das Aufräumen und Weggeben von Sachen) nur ein Aspekt des Minimalismus sei. Es gehe dabei vor allem um die Einstellung zum Konsum. Um Nachhaltigkeit – aber auch um Verzicht auf den neuesten technischen Schnickschnack und allgemein auf alles Unwesentliche.

Elie guckt sehr skeptisch. Er ist – was ihn selbst betrifft – sichtlich nicht von der Idee des Verzichts angetan. Deshalb muss ich mir etwas einfallen lassen, das ihn überzeugt. Und schon habe ich eine Idee.

„Ihr Lieben, wann habt Ihr eigentlich das letzte Mal in Eurem Nestchen das Gefühl gehabt, dass es dort bequem und angenehm war? So dass Ihr beide Platz hattet, um Euch mal richtig auszustrecken?“

Anatol druckst etwas herum und weiss sichtlich nichts zu antworten. Elie wird rot bis hinter beide Ohren (die bei ihm nicht sehr ausgebildet sind). Der Grund liegt auf der Hand – seit Tagen sieht das Nestchen so aus:

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Man kann es mit Fug und Recht als einen wahren Schweinestall bezeichnen.

Die erste Aufgabe für die frischgebackenen Minimalisten ist es also, das eigene Nestchen auszuräumen und dann gemäß Feng Shui zu ordnen. Mit Feuereifer machen sich die beiden an die Arbeit.

Über den Fortgang des „Feng Shui à la Anatol“ werden wir berichten!

16. März 2014

Und so sieht ein schön aufgeräumtes, entrümpeltes Dino-Nestchen aus:

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Anatol und Elie fühlen sich sichtlich wohler darin und wollen nun die ganze Wohnung entrümpeln. Gut, dass ich eine Woche Ferien habe und das Ganze überwachen kann …