161. Kapitel – Anatols kleiner Lieblingsladen

Ein Besuch bei Day by Day in Strasbourg

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Nachdem Anatol unseren Kühlschrank nicht nur außen aufs Gründlichste abgeschrubbt, sondern auch innen mehrfach mit Essig ausgespült und abgetrocknet hat, bietet sich nun ein sehr annehmbares Bild. So sauber hat der Kühlschrank selten ausgesehen.

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Der Kühlschrank nach Anatols Essigbehandlung.

Ich bin mit der Arbeit des Sauriers außerordentlich zufrieden und erlaube Anatol, heute mit zum Einkauf bei unserem Lieblingsladen, Day by Day in der Route du Polygone in Strasbourg, Neudorf zu kommen.

Day by Day ist das, was in Deutschland als „Unverpackt-Laden“ bezeichnet wird. Bei Day by Day gibt es alles ohne Verpackung! Man wiegt einfach das ab, was man braucht, füllt es in ein Marmeladenglas, welches man entweder selber mitbringt oder von Céline, der freundlichen und hilfsbereiten Ladeninhaberin, geschenkt bekommt. Die Gläser sind beliebig oft wiederverwenbar – es entsteht überhaupt kein Verpackungsmüll.

Alternativ kann man auch spezielle Behältnisse dort kaufen (Sprühflaschen zum Beispiel, und hübsche Fläschchen und Phiolen), aber im Regelfall reichen die Gläser, die dort verschenkt werden, vollkommen aus.

Um Day by Day zu unterstützen, kann man nicht mehr benötigte Gläser und Flaschen dort spenden.

Endlich können wir einkaufen, ohne überflüssigen Müll zu produzieren!

Was bekommt man bei Day by Day? Eigentlich fast alles. Zucker, Mehl, Reis, Nudeln, Tee… aber auch sehr feine Öle (vor allem Olivenöl), Essig, eingelegte Oliven, einen veganen und absolut unwiderstehlichen Schokoaufstrich (noch dazu ohne Palmöl!), und vieles, vieles mehr.

Viele Produkte haben ein Bio-Label (Ecocert zum Beispiel), andere sind nicht „Bio“. Ich habe beides ausprobiert: die Qualität ist durchweg hervorragend.

Anatols Lieblingsabteilung ist der Haushaltsbereich. Dort findet man vorwiegend Bioputzmittel, Savon de Marseille in jeglicher Form, Alepposeife… Anatol kauft hier die großartige schwarze Seife aus Marseille, die wie keine andere unsere Fliesen und das Parkett säubert und herrlich duften lässt. Für das Parkett gibt Anatol noch etwas Leinöl hinzu, damit alles glänzt und blinkt. Bisher hat kein anderer Reiniger es vermocht, die von den Katzen bei ihren Festgelagen angerichtete Schweinerei so zu beseitigen, dass niemand auf die Idee kommen würde, es habe jemals eine Katze hier etwas gefressen.

Was haben wir heute gekauft?

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Im Einkaufsbeutel waren: Spüli, WC-Reiniger, zwei Olivenölseifen (diesmal die flüssigen), Reis, Rohrzucker – und zum Naschen getrocknete Apfelscheibchen und kandierter Ingwer.

Geschenkt bekommen haben wir: ein Stück festes Shampoo von Pachamamaï – das Shampoo ist vegan und sehr sanft zu Haut und Haaren. Ich habe es heute schon ausprobiert, es macht die Haare wunderbar weich und leicht. Merci beaucoup!

Vergessen wurde: das désinfectant cuisine und das détachant avant lavage (Seifenspray für hartnäckige Flecken), das Anatol unbedingt probieren wollte. Vielleicht fahren wir morgen noch einmal hin. Wir finden jedesmal wieder neue praktische Dinge dort!

Wie sieht es mit den Preisen aus? Da hier nur sehr hochwertige Artikel verkauft werden, ist Day by Day kein Billigladen. Die Produkte werden zum großen Teil in Frankreich hergestellt – meist von handwerklichen Kleinbetrieben und Familienunternehmen – und sind von ihrer Zusammensetzung und Herstellung her ausgezeichnet, so z. B. die Haushaltsreiniger und auch unsere geliebte schwarze Olivenseife. Die Produkte sind außerordentlich ergiebig. Nach dem Gebrauch weiss man, warum man gut daran getan hat, sie zu kaufen – und warum man sie immer wieder kaufen wird.

Zudem muss man bei Day by Day keine großen Mengen kaufen – man entscheidet selbst, wieviel oder wie wenig man braucht. Und viele Produkte sind sogar deutlich günstiger als in anderen Läden, weil sie ohne die kostspielige Verpackung auskommen.

Das Preis-Leistungsverhältnis ist daher sehr gut, finden Anatol und ich. Und es ist uns wichtig, dass die Menschen, die Dinge für uns herstellen und verkaufen, einen fairen Preis dafür bekommen.

Hier ein paar Bilder von unserem Besuch. Der Laden ist wunderschön eingerichtet, wir fühlen uns dort jedesmal sehr wohl:

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Nachtrag – 26. August 2016

Da wir gestern ein paar Sachen vergessen haben, sind wir heute noch einmal zu Day by Day gefahren.

Dort haben wir zwei kleine Phiolen mit Sirup gekauft, sowie den détachant und den désinfectant cuisine. Der Pfirsich-Sirup wird gerade schon von Anatol und Elie weggeschlürft (verdünnt, selbstverständlich) :

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Den désinfectant werden wir sogleich am Kühlschrank ausprobieren. Leider hat er es doch noch nötig.

Anatol macht mich gerade darauf aufmerksam, dass unser Kühlschrank sehr viel Plastik enthält (insbesondere die Tupperdosen, die gar keine echten Tupperdosen sind). Und dass er immer mehr Blogger liest, die plastikfrei leben! Sicher würde unsere Plastikausstattung nicht gut ankommen … Dem widerspreche ich ausdrücklich.

Müssen unsere Nicht-Tupperdosen aus Plastik weg? Nein. Solange sie nicht kaputt sind, werden sie natürlich weiter benutzt. Es wäre widersinnig, Plastik wegzuwerfen, um Plastikmüll zu vermeiden. Für uns jedenfalls.

Die Tupper, pardon Nicht-Tupper (genauer gesagt: Ikea-Plastikboxen) bleiben also. Irgendwann werden wir sicher nur noch Glas- oder Edelstahlbehälter haben, aber bis dahin wird es noch etwas dauern.

160. Kapitel – Großreinemachen reloaded: der Kondenswasserbehälter

Was bisher geschah, lest Ihr hier!

Schon oft habe ich von Anatols grandiosen Putzaktionen berichtet. Der Saurier liebt es, wenn sein Heim blitzt und blinkt – dazu verwendet er gern Putzmittel ohne Chemie. Wo Anatol seine geschätzten Haushaltshelferchen kauft, werden wir in einem anderen Post berichten!

Heute wollen wir uns jedoch einem anrüchigen Thema widmen, von dem wir hoffen, dass keiner unserer Leser je damit in personam konfrontiert werden möge. Falls dies doch geschehen sollte: hier die Anleitung zu dem, was dann zu tun ist.

Seit Wochenbeginn (ich berichtete) ist unsere Wohnung kaum noch zu betreten. Ein pestilenzartiger Gestank durchzieht das ganze Appartement, wobei besonders die Küche betroffen ist. Ausgedehnte Suchaktionen (in den Lüftungsschlitzen, der Rumpelkammer, unter und hinter den Möbeln) haben keine Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen Quelle gebracht. Der Verwesungsgeruch wird von Tag zu Tag schlimmer – es ist klar, dass wir hier nicht länger leben können, wird das Problem nicht umgehend behoben.

Nach unserer schönen Fahrradtour entlang der Murg waren wir gestern gegen 21 Uhr erschöpft nach Hause gekommen. Ob der unerträglichen Geruchsbelästigung hatte Anatol sich ungeachtet seiner Müdigkeit auf die Suche gemacht, mit dem festen Entschluß, nicht abzulassen, bevor er der Sache nicht auf den Grund gegangen sei.

Als der Kühlschrank von der Wand abgerückt ist, tritt die Geruchsquelle zu Tage:

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Ein mir bis dahin völlig unbekannter Behälter unten am Kühlschrank an der hinteren Wand ist randvoll gefüllt mit „etwas“, das ich auch heute nur mit angehaltenem Atem als in höchstem Maße ekelerregend beschreiben kann.

Ein erster Reinigungsversuch endet mit starkem Würgereiz – und Flucht. Uns wird klar, dass wir des Problems wenn überhaupt nur mit einer angemessenen Ausrüstung, möglicherweise sogar im Schutzanzug, Herr werden können.

Wir versiegeln die Küche und beschließen, erst am nächsten Morgen den Kampf gegen das Grauen  unter dem Kühlschrank aufzunehmen.

Als der Tag anbricht und die ersten Sonnenstrahlen unseren Balkon vergolden, wissen wir, dass das Ende des Gestanks gekommen ist. Wir frühstücken beim Bäcker – unsere Küche kann nicht mehr genutzt werden. Dann entsiegeln wir die Küchentür.

Hinter mir ertönt ein Rascheln – dann das Klicken der Haustür.

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Elie verlässt eilig die Wohnung. Seine Geruchstoleranzschwelle ist offenbar erreicht.

Ich entferne alle Gegenstände aus der Küche – sie sollen nicht mehr benutzt werden, bevor sie nicht abgekocht, desinfiziert und gründlich gereinigt sind. Ob dies aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist, weiss ich nicht; Anatol will jedoch keines der Utensilien wieder anrühren, so lange es nicht peinlichst gesäubert ist.

Der Saurier hat indessen im Internet recherchiert und ist bei „Frag-Mutti.de“ fündig geworden:

Gestank durch Kühlschrank / Wasserauffangbehälter

Moderne Kühlschränke haben einen Auffangbehälter für Kondenswasser, welches meist an der inneren hinteren Wand entsteht. Der Kondensatbehälter ist meist offen und befindet sich hinter dem Kühlschrank meist direkt auf dem Kompressor.

Wenn das Wasser nicht schnell genug verdunstet, fängt es an zu faulen und produziert undefinierbaren Mief, bevor es irgendwann einen penetranten fäkalartigen Gestank verbreitet.

Die Beschreibung entspricht in allen Punkten der vorliegenden Situation.

Nachdem wir den Artikel durchgelesen haben, wissen wir, was zu tun ist. Der Kondenswasserbehälter muss entleert, gesäubert und ent“duftet“ werden, danach kann man ihn wieder einbauen und das Problem sollte behoben sein.

Nur wohin mit der reichlich vorhandenen „dickflüssigen Masse“, die ich hier nicht näher beschreiben möchte? Wie entferne ich sie überhaupt aus dem Behälter, ohne sie zu verschütten? Wieder ergreift mich der Würgereiz.

„Das muss man mit Klopapier aufsaugen, wegwerfen und dann ausputzen!“ weiss der Butler und hat auch schon die notwendigen Hilfsmittel zusammengestellt.

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Dann nähert sich der Butler todesmutig dem Kühlschrank. Ein Luftstoß aus dem Flur lässt Anatol eine regelrechte Duftwolke entgegenschlagen. Panik, Ekel und Würgereiz ergreifen den Saurier – er dreht sich auf dem Absatz um, rennt fort und springt mit einem Satz auf den Fenstergriff, wo er die frische Luft begierig einatmet.

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Ich seufze. Offenbar bleibt der härteste Teil des Einsatzes wieder einmal an mir hängen.

Dank der von Anatol klug zusammengestellten Ausrüstung gelingt es mir, mit Klopapier zuerst den größten Teil der „Masse“ aus dem Behälter aufzusaugen und sofort wegzuwerfen. Gummihandschuhe leisten mir dabei gute Dienste.

Achtung, diese Arbeit kann nur von außerordentlich hartgesottenen Mitmenschen durchgeführt werden!

Als das Schlimmste entfernt ist, gelingt es mir, ohne die grauenerregende Reste zu verschütten, die Auffangschale aus ihrer Halterung zu lösen bzw. abzuklipsen.

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Nun kann selbige im Seifenbad mit viel ätherischem Orangenöl eingeweicht werden.

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Was die widerlichen angetrockneten Reste sind, die man noch erkennen kann, wollen wir nicht so genau wissen.

Anatol rückt indessen mit einem seiner Lieblingsutensilien an, um unter dem Kühlschrank sauberzumachen.

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Nach einem längeren Verbleib im Chlorbleichebad ist die Auffangschale wieder einsatzbereit. Ich klipse sie auf ihren Kondensator, schiebe den Kühlschrank zurück an die Wand und atme die frische, geruchslose Luft ein.

Anatol stösst ein erleichtertes Seufzen aus. „Ich glaub, wir haben es geschafft! Es riecht nicht mehr!“

Seit Tagen habe ich mich in unserer Wohnung nicht mehr so wohl gefühlt.

„Anatol, woher mag denn diese grauenvolle Soße in der Auffangschale gekommen sein? Sowas passiert doch nicht „einfach so“ – oder?“

Der Saurier druckst verlegen herum. Offenbar weiss er etwas, das er mir nicht sagen will. Ich bestehe indessen auf einer Antwort.

„Nun ja … da war letztens etwas. Und zwar war beim Auftauen des Katzenfutters …“ hier stockt der Butler. Anatol stellt eigens für die Katzen ein ernährungsphysiologisch wertvolles Rohfleischfutter, auch BARF („biologisch artgerechte Rohfütterung“) genannt, her.

„Was war da …?“ frage ich drohend.

„Also es ist ausgelaufen. Aus der Gefriertüte. Sie ist im Kühlschrank umgekippt und alles ist raus. Ich habe natürlich den ganzen Kühlschrank ausgewischt und geputzt!“ beeilt sich der Butler hinzuzufügen. „Aber da war muss wohl einiges schon in die Kondenswasserauffanganlage hineingeflossen sein.“

Ich fühle mich gerade so, als müsse ich schnellstens die Keramikabteilung unserer Wohnung aufsuchen. Mein Magen dreht sich schon wieder um.

„Der Unfall hätte genauso bei fleischfressenden Mitbürgern passieren können!“ zetert Anatol. „Was da ausgelaufen ist, hatte alles Lebensmittelqualität!“

„Hatte, Anatol“ seufze ich. „Hatte.“

159. Kapitel – Die Tour de Murg

Was vorher geschah, findet Ihr hier !

Als ich am Bahnhof in Kehl ankomme, ist es kurz nach 9. Ich kaufe unser Baden-Württemberg-Ticket, mit welchem Fahrrad, Dinosaurier und ich innerhalb des Ortenaukreises den ganzen Tag mit der Bahn fahren dürfen. Dann setze ich mich ins Bahnhofs-Café und würde am liebsten einschlafen.

Nun rumort es im Rucksack. Der Saurier erwacht – und will sofort einen Espresso. Diesen bekommt er. Immerhin kann ich so das zu erwartende Genörgel im Keim ersticken.

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Ich trinke indessen einen Ristretto mit viel Zucker. Mit etwas Glück verhilft mir das zu neuen Kräften. Allerdings bin ich wirklich sehr müde. Ich wäre am Vorabend besser beizeiten ins Bett gegangen!

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Wir steigen in den Zug nach Offenburg und ergattern sogar eine Art Sitzplatz. Ab Offenburg ist es noch komfortabler. Das Rad steht im Fahrradabteil, Anatol und ich können ganz bequem auf richtigen Sesseln sitzen. Hier schaffe ich es, ein paarmal die Augen zu schließen. Der Saurier überwacht währenddessen die Strecke.

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Eine Durchsage unterbricht mein Dösen. „Reisende nach Freudenstadt, bitte verlassen Sie den letzten Waggon. Ich wiederhole: bitte verlassen Sie den letzten Waggon. Dieser wird abgekoppelt und fährt weiter nach Hornberg“.

Ich stöhne. Wir müssen unseren wunderbaren Sitzplatz verlassen und in den jetzt schon überfüllten Wagen vor uns einsteigen – besser: versuchen einzusteigen, denn ob dort noch Platz ist für ein weiteres Fahrrad, ist ganz unklar …

Als der Zug hält, schaffe ich es, den Wagen zu verlassen und das Fahrrad in eine winzige Lücke in Waggon 1 zu quetschen. Einen „Sitzplatz“ finden wir nur auf einem kleinen Treppchen. Dies ist suboptimal – aber immerhin sind wir im Zug. Um 11 Uhr 17 werden wir in Freudenstadt ankommen, daran kann kein Zweifel bestehen.

Nach einer etwas holprigen Reise treffen wir tatsächlich fast planmäßig in Freudenstadt ein. Treffpunkt mit unserer Freundin und Fahrradkumpanin T. ist der Marktplatz. Um diesen zu erreichen, haben wir eine steil ansteigende Strecke von etwa einem Kilometer vor uns.

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Kurze Zeit später sind wir am Treffpunkt – am Marktplatz Freudenstadt unter der Venusstatue. Nach einem gemeinsamen Eiscafé sind wir gestärkt und können unsere Tour antreten. Ich lasse mir nur zu gern erklären, dass diese vorwiegend „abwärts“ führt. Zu sportlichen Höchstleistungen bin ich heute nicht fähig.

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Wir fahren nun durch die herrliche Gegend ins Tal. Der Saurier sitzt im Rucksack, immer die Nase im Wind: so entgeht seinen scharfen Stegosaurier-Augen keine Einzelheit.

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Unten im Tal fließt die Murg – durch die Bäume hindurch sieht man das glitzernde Wasser und die großen, glattgeschliffenen Steine, zwischen denen der Fluss sich ins Tal ergießt.

Nach zwei Stunden, während derer wir vorwiegend bergab gerollt sind, stellt sich Hunger ein. Der Saurier, der nicht einmal in die Pedale tritt, verlangt lautstark sein Picknick:

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Zum Glück bekommen wir auch etwas davon ab!

Ein Bild sagt mehr als viele Worte:

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Unter diesem alten Obstbaum machen wir etwas später Rast und genießen die herrliche Aussicht.

Viel zu schnell sind wir in Gernsbach angelangt. Hier wartet der Höhepunkt des Tages auf Anatol.

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Es ist ein Glück, dass der Saurier meist nach drei Happen so satt von der mächtigen Schwarzwälder-Kirschtorte ist, dass mir gnädigerweise der „Rest“ zufällt.

Und schon neigt sich unsere Tour ihrem Ende zu… die schönen Dinge vergehen immer zu schnell. Wieder ist es Zeit, sich zu verabschieden …

Um 19 Uhr stehe ich in Rastatt auf dem Bahnhof, einen wohlig schnurchelnden Anatol im Rucksack und eine hier nicht gültige Ortenaukreis-Fahrkarte in der Hand. Wieviel muss ich nachlösen? Wo kann ich nachlösen? Der Automat gibt hierzu keine Auskunft, und menschliche Bahnbedienstete sind nicht mehr zugegen.

Meine zukünftigen Mitreisenden auf dem Gleis sind sämtlich fremdsprachige Mitbürger, die mir freundlich zulächeln, aber meine Frage natürlich nicht beantworten können.

Mit einem mulmigen Gefühl, dafür ohne Fahrkarte steige ich in den Zug. Das Fahrradabteil ist voller Kinderwägen, ich muss daher auf ein nicht für Fahrräder zugelassenes Abteil ausweichen. Da ich bereits ohne Fahrkarte bin, ist dies nun auch egal, sage ich mir beklommen.

Kurz vor Baden-Baden sehe ich einen Schaffner sich einen Weg durch das Kinderwagendickicht im Radabteil bahnen. Zu diesem wühle ich mich meinerseits hin, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ich zwar kein Billet habe, aber gewillt bin, sofort eines zu kaufen.

Der Schaffner winkt ab und ruft durch das Stimmengewirr, ich solle da bleiben, wo ich sei, er würde mir die Fahrkarte dort verkaufen.

Wenig später kann ich ihm klarmachen, dass ich keine gemeine Schwarzfahrerin bin, sondern nur nicht weiss, wie weit mein bereits gelöstes Ticket reicht. Dies weiss jedoch der Schaffner – es reicht bis Achern – und so erstehe ich für 4 Euro 10 den noch notwendigen Fahrschein.

Wir sind indessen in Baden-Baden eingetroffen, aber der Zug steht wie angeklebt im Bahnhof. Offenbar werden Anschlüsse erwartet. Ein recht armselig aussehender Mann steigt ein und überschüttet den Schaffner mit einem Wortschwall im ortsansässigen Dialekt. Nach einem für mich unverständlichen Dialog steigt der Mann wieder aus.

„Umsonsch mitfarre wolle de! Jesses Gott, nei wo simme!“

Ich bin froh, dass das geballte Regelwerk der Deutschen Bahn nicht auf meinen Fall angewendet wird – stehe ich doch mitsamt meinem Fahrrad in einem Abteil, das nicht für Fahrräder zugelassen ist.

Ein pingelig sauber gekleideter Herr mit weissem Hemd und Anzugshose sowie Stahlhelm betritt das Abteil und wendet sich wutschnaubend an den Schaffner.

„Sie sind sich bewusst, dass dieses Fahrrad hier nichts zu suchen hat?“ Er zeigt wütend auf mein Victoria Fahrrad.

Der Schaffner brummt. Ich sehe den Herrn so freundlich an, wie einem das bei einem wutentbrannten Stahlhelmträger nur möglich ist und rechtfertige mich mit sanfter Stimme: „Im Fahrradabteil vorn bin ich nicht reingekommen … leider!“

„Genau!“ brüllt der Stahlhelm zornbebend. Mir fällt erst jetzt auf, dass es sich um einen Fahrradhelm handelt. „Ich auch nicht! Alles voll mit Kinderwägen und undisziplinierten Leuten! Die gehören dort nicht hin! Ich schwöre Ihnen – wenn Sie als Deutsche Bahn die Leute nicht entfernen, dann werfe ich sie eigenhändig raus!“ Hier schnappt dem Herrn vor Erzürnung die Stimme über.

Der Schaffner macht den ungehaltenen Fahrgast darauf aufmerksam, dass er keineswegs die Deutsche Bahn vertrete, sondern von dieser nur „ausgeliehen“ sei. Wie dies arbeitsrechtlich zu beurteilen sei, mag ich mir nicht vorstellen. Ich vermute, der gute Schaffner drückt damit aus, dass er nicht gut genug bezahlt sei, um derlei Ärgernisse auf sich zu nehmen.

Indessen wird unser Stahlhelmträger immer wütender. Ich ziehe mich vorsichtig aus der Diskussion heraus, in die ich unfreiwillig geraten bin – offenbar ist es dem Schaffner aber ganz lieb, dass ich mit meinem Fahrrad zwischen ihm und dem Wüterich stehe.

Letzterer schafft es, den Schaffner dazu zu bringen, mit ihm in das Fahrradabteil zu gehen. Hier weist der Schaffner die Reisenden darauf hin, dass es sich um ein Fahrradabteil handele … was diese geduldig anhören.

Dann geschieht – nichts.

Zeternd läuft unser Stahlhelm durch den Waggon und verschwindet unter lautem Schimpfen in den Tiefen des Zuges.

Fassungslos sehen die anderen Reisenden mich an. Ich zucke mit den Schultern. „Die Hitze…?“ versuche ich ein Erklärung. Ausnahmsweise hatte ich mit dem Wutausbruch sogar nichts zu tun … Anatol flüstert durch den Rucksack: „War wohl besser, dass ich nicht rausgekommen bin, oder?“

Zwei mitleidige Mitreisende helfen mir schließlich, das Rad in die obere Etage zu tragen – dies ist streng verboten – aber so kann ich für den Rest der Reise sitzen.

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Zurück in Kehl – die restlichen Kilometer bis nach Hause fährt das Fahrrad fast von allein.

Als Elie uns gegen 21 Uhr heulend die Tür aufmacht, schlägt uns der altbekannte Geruch entgegen.

Elie war auf seiner Demo gewesen, aber Anna hatte nur Augen für Angelo gehabt. Könnte Elies politisches Engagement möglicherweise doch nicht allein von humanitären Gesichtspunkten motiviert sein? Die Frage erscheint berechtigt, ich stelle sie indessen nicht.

Anatol ist nicht gewillt, den Gestank weiter zu ertragen. „Ich räum alles aus. Wenn ich die Quelle nicht finde, ziehe ich aus!“

Ich gehe in die Dusche und überlasse Anatol seiner Küche. Das Rauschen der Dusche übertönt bald das Sauriergezeter und das Möbelrücken.

Als ich aus der Dusche steige, ertönt ein markerschütternder Schrei aus der Küche. Der Schrei verstummt, dann folgt ein zweiter – lauter, verzweifelter und durchdringender. Ich wickele mir notdürftig ein Handtuch um und stürze in die Küche.

Dort präsentiert der Saurier mir das Grauen.

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Der Kondenswasserablaufbehälter an der Rückseite des Kühlschranks ist zweifelsohne die Quelle des Übels.

Als ich nähertrete und den Inhalt des Behälters sehe – leider auch rieche – dreht sich mein Magen um und ich würge unwillkürlich.Es erscheint, als wäre etwas oder jemand in dem Behälter erst gestorben, verfault, dann aber, wenn auch in anderer Form, wieder lebendig geworden.

„Mach das weg, Anatol!“ schaffe ich noch zu rufen. Vom Ekel überwältigt renne ich aus der Küche.

Der Saurier hat eine Wäscheklammer auf der Nase und reicht mir ebenfalls eine.

„Ich kann das unmöglich heute abend noch beseitigen. Wir müssen uns bis morgen gedulden.“ Und dann, als habe er meinen Gedanken erraten: „Die Katzen habe ich durchgezählt. Sind vollzählig. Was auch immer das ist in dem Behälter – es ist keine Katze.“

Das Ergebnis unserer Radtour lässt sich indessen sehen:

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158. Kapitel – In den Krallen der Pest

Voller Vorfreude springe ich die Treppe hoch in 4. Stock. Eben habe ich in der Stadt noch letzte Einkäufe für die morgige, alljährliche Fahrradtour mit einer lieben Freundin getätigt. Das Highlight der Sommerferien steht unmittelbar bevor!

Während ich den letzten Treppenabsatz nehme, rekapituliere ich ein weiteres Mal, was bis Morgen vorzubereiten ist: Picknick, Luftpumpe, Sonnenöl und -hut … das meiste hat Anatol ohnehin schon zurechtgelegt. Das Rad ist gewartet, die neue Satteltasche steht bereit – unserer Tour steht nichts mehr im Weg. Wir müssen nur noch einmal schlafen … dann ist es soweit!

Ich stecke den Schlüssel ins Schloss, da ich weiss, dass Anatol es hasst, wenn ich klingele, damit er mir aufmacht. „Kannst Du nicht selber aufschließen?! Stör mich nicht bei der Arbeit!“ pampt mich das Untier jedesmal an.

Während ich den Schlüssel im Schloß drehe, kommt mir ein seltsamer Geruch aus der Wohnung entgegen, der offenbar sogar durch die geschlossene Tür dringt… haben die Butler nicht daran gedacht, die Katzenklos zu säubern? Es ist zwar nicht schlimm, aber ein wenig verärgert bin ich doch. Schließlich hatten die beiden Saurier den ganzen Nachmittag zu Hause verbracht, während ich in der Stadt einkaufen war.

Als ich in Flur trete, umgibt mich ein pestilenzartiger Gestank. Ich erschauere – was ist hier geschehen?

„Anatol!?“ rufe ich. „Was ist denn los? Es stinkt bestialisch!“

Gepolter ertönt aus der Rumpelkammer, dann ein Ächzen, das unzweifelhaft von Anatol stammt. Der Saurier scheint unter Tonnen von Gerätschaften begraben – so klingt es jedenfalls. Dann fallen diverse Gegenstände scheppernd zu Boden und der Butler krabbelt betreten aus der Kammer hervor.

Kopfkratzend sieht er mich an. „Ja“ sagt er. „Es stinkt. Das ist mir nicht verborgen geblieben. Es hat am frühen Nachmittag begonnen, und seitdem suche ich die Quelle. Bisher ohne Erfolg. Aber bei allem, was mir heilig ist – ich werde sie finden!“

Dann verschwindet er wieder in der Gerümpelkammer, wo er offenbar den Ursprung des Geruchs vermutet.

Ich lege meine Einkäufe ab und stelle erleichtert fest, dass Wohn- und Schlafzimmer verschont sind von den unangenehmen Ausdünstungen. Dies haben auch die Katzen und Elie bemerkt: bang haben sie sich in die letzte Ecke des Betts gedrängt, um dort so weit wie möglich von der unseligen Küche, die das Epizentrum des anrüchigen Problems zu sein scheint, entfernt zu sein.

„Hat Anatol etwas gekocht, was ihm misslungen ist?“ flüstere ich Elie fragend zu.

„Nein… Anatol hat heute nachmittag nur Kaltes vorbereitet für Eure Tour morgen. Das hat überhaupt nicht gerochen – und wenn, dann hat es lecker gerochen. Ich weiss auch nicht, was das für ein schrecklicher Gestank ist: als ob jemand im Lüftungsschacht gestorben wäre! Igitt!“

Der von Elie gebrachte Vergleich ist pietätlos, aber zutreffend. Ich räuspere mich. „Und das Brummen…? War das auch die ganze Zeit schon…?“

„Ach, die Fliegen? Ja, die schwärmen seit vorhin hier rein. Das ist eklig! Ich mag hier nicht mehr wohnen. Nachher geh ich zu Anna – sicher darf ich dort übernachten.“

Aus der Rumpelkammer ertönt ein trimphierendes „Ha!“. Elie und ich stürzen in die Küche – hat Anatol wohl den Ursprung allen Übels gefunden? Der Saurier zerrt eine offensichtlich vergessene Tüte mit undefinierbarem Inhalt aus der hintersten Ecke der Kammer hervor.

„Das hier muss es sein!“ Anatol öffnet die Tüte so voller Aufregung, dass der gesamte Inhalt zu Boden fällt: Verlängerungskabel, Adapter und erstaunlicherweise auch Elies Schwimmflügel kommen zu Vorschein. Alles ist trocken und sauber, lediglich etwas Staub hat sich auf der Tüte gesammelt.

Entmutig lässt Anatol die Tüte zu Boden gleiten. „Wieder nichts! Ich kann mir dieses Phänomen nicht erklären!“

Ich erkläre die Sucharbeiten vorerst für beendet und bitte die Saurier, die sehr zahlreich vorhandenen Fliegen aus dem Fenster zu bugsieren. Dann packe ich unsere Satteltasche für die morgige Tour und lege meine Fahrradmontur zurecht.

Anatol hat ein Taboulé für heute abend vorbereitet, das so reichlich ist, dass auch für unsere Tour noch etwas abgezwackt werden kann. Auf dem Balkon können wir unser Abendessen sogar genießen – hier ist die Luft rein.

„Elie, kommst Du morgen auch mit auf die Fahrradtour? Wir fahren die Tour de Murg, im Schwarzwald. Es wird sicher toll!“ sagt Anatol, sein Taboulé schmatzend.

Elie würdigt ihn kaum eines Blickes. „Ich gehe morgen demonstrieren!“

Richtig – für morgen war die große Demostration der hiesigen Friedensbewegung angekündigt. Auch die Flüchtlingshilfe, bei der Elie und Anna jeden Donnerstag bei der Essensausgabe mitarbeiten dürfen, nimmt selbstverständlich daran teil.

Beschämt sehe ich auf meinen Teller. „Ich kann diesmal leider nicht mitkommen, Elie.“ Und aufmunternd: „Ich bin sicher, dass Du uns würdig vertreten wirst!“

„Also wir werden ganz bestimmt morgen während der Radtour oben im kühlen Schwarzwald an Euch denken!“ zieht Anatol seinen Kumpel auf.

Gerade will ich mein Missfallen an derlei spitzen Bemerkungen ausdrücken, da zetert Elie schon mit vor Wut rotem Kopf los. „Während Ihr es Euch im Schwarzwald gut gehen lasst, tue ich etwas für den Frieden! Das ist wichtiger als Euer Amüsement! In vielen Ländern ist Krieg, Europa löst sich auf … seit gestern sagen sie sogar im Radio, wir sollen Essens- und Wasservorräte hamstern, um uns auf den nächsten Krieg vorzubereiten! Aber fahrt nur los auf Eure Tour de Murks und wiegt Euch in Sicherheit! Ich demonstriere lieber mit der Antifa!“

Hier werde ich hellhörig. „Elie, von Antifa war bisher nicht die Rede! Es ging um eine Demo für den Frieden, für Toleranz und Völkerverständigung … von Antifa habe ich nichts gehört, und ich bin nicht damit einverstanden, dass Du bei Extremisten mitgehst!“

Meinen autoritären Diskurs schließe ich mit einer dezidierten Handbewegung ab. Elie ist hoffentlich davon so beeindruckt, dass er sich weiteren Antifa-Ambitionen enthält.

Anatol knurrt „Antifa? Von denen habe ich irgendwann in den 8oer Jahren das letzte Mal gehört. Existieren die noch? Ich fand die damals schon beschränkt.“

Dann fügt er hinzu „Das mit den Vorräten, die wir nun alle haben sollen, habe ich auch gehört. Ja, es beunruhigt mich ebenfalls. Sicherheitshalber habe ich deshalb heute mittag zwei Gläser Marmelade eingekocht!“

Elie verdreht die Augen. Man sieht ihm an, dass er gerade innerlich explodiert. Bevor es ein Unglück gibt, frage ich schnell, was es denn mit dieser Antifa auf sich habe, bei der Elie mitmarschieren wolle – wogegen ich mich im Übrigen ganz entschieden ausspreche.

„Antifa ist unsere Politik-AG in der Schule!“ schreit Elie, voller Wut ob unserer Ignoranz. „Da sprechen wir über die politische Lage in Syrien und im Irak, die Flüchtlinge – wie sie zu uns kommen und wie wir ihnen helfen können … und über diese neuen Parteien, die gegen die Flüchtlinge sind!“

All dies klingt für mich nicht wirklich nach Antifa. Elie sieht meinen zweifelnden Blick und beeilt sich, zu erklären. „Das mit der Antifa hat Herr Hase gesagt!“ erläutert er.

Wir erinnern uns – Herr Hase, unser reaktionärer Nachbar, schätzt politische Betätigung nur, wenn sie mindestens auf erzkonservativer Ebene stattfindet.

„Herr Hase hat Eliane verboten, an der Politik-AG teilzunehmen. Er sagt, das sei eine Antifa-Gruppe, und zu so etwas ginge seine Tochter auf keinen Fall!“ Etwas pampig setzt Elie hinzu „Jetzt wisst Ihr es. Und wir bei der Antifa, wir sind dafür, dass die armen Flüchtlinge herkommen dürfen. Das will Herr Hase nicht.“

„Ach so…“ bemerkt Anatol gedehnt und mit einem kaum merkbaren ironischen Unterton. „Und Euer Vorbild bei dieser ‚Antifa-Gruppe‘ ist dann sicher die Bundeskanzlerin…?“

Elie nickt eifrig. „Natürlich! Wir haben der Bundeskanzlerin sogar eine Mail geschrieben, und ihr gesagt, wie gut wir das finden, dass die Flüchtlinge aufgenommen werden!“

Ich atme auf, beende die politische Diskussion und erlaube Elie ausdrücklich die weitere Teilnahme an dieser quasi staatstragenden „Antifa“-AG. Im Stillen nehme ich mir vor, die Klassenlehrerin und AG-Leiterin darum zu bitten, den Schülern das politische Geschehen der letzten 40 Jahre noch ein wenig genauer zu erklären.

Es ist nun 21 Uhr und im Grunde höchste Zeit, ins Bett zu gehen. Der Wecker ist für 5 Uhr 15 gestellt.

Anatol findet indessen keine Ruhe. „Meine Küche ist hinüber!“ jammert er. „Es ist nicht auszuhalten, dieser Gestank! Der muss doch irgendwoher kommen …“ Wie besessen beginnt der Saurier, die strategischen Orte abzusuchen, Möbel wegzurücken und Ritzen auszukratzen – er verdächtigt die Katzen, das sehe ich ihm an.

Ich komme dem Butler zur Hilfe, während Elie schon friedlich in seinem Nestchen schlummert – von der morgigen Demo träumend, auf der er die ganze Zeit Annas Hand halten wird, sollte nicht der verhasste Nebenbuhler Angelo zugegen sein.

Das Zentrum der Geruchskatastrophe ist klar in der Küche zu verorten. Anatol lässt seinen Blick durch den Raum schweifen. „Da!“ ruft er. „Die Lüftung! Da kommt es sicher raus, glaube ich!“

Wütend zerrt er die Leiter unter dem Schrank hervor und klettert in Windeseile in schwindelerregende Höhen. Ganz bis zum Lüftungsschlitz schafft er es nicht, aber er ruft auftrumpfend „Von da kommt es! Furchtbar ist es hier mit dem Geruch – viel schlimmer als unten!“

Indessen habe ich das Gefühl, dass die Ausdünstungen aus einer anderen Ecke kommen – aber Anatol lässt nicht mit sich reden. „Ich schalte die Lüftung jetzt aus. Dann muss der Geruch verschwinden – wenn er aus der Lüftung kommt.“

Dies ist logisch – wir knipsen daher die Lüftung aus und legen uns ins Bett. Fenster und Balkon bleiben ob der großen Hitze offen.

Etwa 30 Minuten später kann ich vor Gestank nicht mehr schlafen. Auch Anatol ist auf: knurrend rumort er in der Küche umher. „Also – die Lüftung ist es leider nicht. Das Ganze ist ohne Lüftung noch viel schlimmer! Ich stelle sie wieder an – es hilft ja nichts.“

Als wir eine weitere Stunde erfolgloser Suche hinter uns haben, geben wir entnervt auf. Anatol legt sich auf den Balkon, ich schlafe ohnehin neben dem geöffneten Fenster.

Als der Wecker um kurz nach fünf klingelt, habe ich etwa drei Stunden geschlafen. Ich bin todmüde. Der uns aus der Küche entgegenschlagende Gestank ist unerträglich.

So schnell wir können verlassen wir die Wohnung und liefern den aufgeregten Elie – es ist seine erste Demonstration „mit den Großen“ – bei Anna ab.

Dann lasse ich Anatol in den Rucksack krabbeln, wo er augenblicklich einschläft, und setze mich aufs Rad.

Unsere langersehnte Radtour hat begonnen.

zur Fortsetzung!