Rechtschaffen schlummere ich den Schlaf der erschöpften Rechtsreferentin. Tief im Unterbewusstsein weiss ich: schon bald wird der Wecker mich aufschrecken und meiner so bitter nötigen Ruhepause ein Ende bereiten…
Eine pelzige Pfote in meinem Gesicht weckt mich aus meinen Träumen. Es ist Elie: unsanft tatzt er auf meiner Nase herum und zischelt mir zu: „Wach auf!“
Schlaftrunken schrecke ich hoch. „Ist der Wecker kaputt?“ stammele ich. „Ist es schon Morgen?“
„Nein!“ sagt Elie. „Es ist was Schlimmes in der Küche! Minna schreit um Hilfe!“
Ein Schnattern, vielmehr Klappern aus dem Flur ertönt – mir wird bewusst, dass ich dieses Geräusch bereits im Halbschlaf vernommen hatte … Schlagartig bin ich wach: das Klappern entstammt Minna, unserer Spülmaschine, die offenbar verzweifelt aus ihrer Küche bis in den Flur gewandert ist und dort – durch ihr Kabel am weiteren Fortkommen gehindert – laut nach uns ruft.
Ich schiebe meine anfängliche Ungläubigkeit zur Seite – warum sollten in einem Haushalt mit sprechenden Stoffdinosauriern nicht auch lebende Spülmaschinen existieren – und springe aus dem Bett auf.
„Minna, was ist los?“ höre ich mich tatsächlich zu meiner Spülmaschine sagen.
Minna beeilt sich, mir das Problem mitzuteilen. „In der Küche läuft Wasser von den Wänden! Hinten in der Ecke! Und ich bin NICHT schuld daran! Ich bin nicht undicht, ich brauche nicht zur Reparatur. Ich schwöre es!“
Entsetzt stürze ich in die Küche. Dort offenbart sich mir das Grauen. Von der Decke herab bis auf den Boden sickert Wasser in die Küche. Es kommt zweifelsfrei aus dem 5. Stock – von dort, wo gestern noch ausgiebig gefeiert wurde, um den bald bevorstehenden Auszug festlich zu begehen.
„Ein Wasserrohrbruch!“ schießt es mir durch den Kopf. Als erstes muss die Quelle über uns beseitigt werden – dann muss ich die unter uns wohnenden Vermieter informieren. Wie spät ist es überhaupt? Ich finde weder meinen Wecker noch mein Handy.
Schnell weise ich Anatol und Elie an, das zentimetertief in der Küche stehende Wasser aufzuwischen, während ich zu den Nachbarn nach oben laufe, um zu versuchen, die Flut einzudämmen.
Ich öffne die Tür und stehe im Treppenhaus. Die Nachbarn sind bereits auf – sie tragen Möbel ins Erdgeschoß. „Ach ja,“ denke ich. „Sie wollten ja umziehen. Aber mitten in der Nacht…?“
Noch bevor ich einen der möbelbepackten Nachbarn auf den Rohrbruch ansprechen kann, fällt mir auf, dass die Treppe hinunter in den 3. Stock fehlt. Dies ist allerdings ärgerlich – und stellt auch für den Möbeltransport ein Hindernis dar. Meine Nachbarin wirft ihr Hab und Gut daher einfach von oben in den 3. Stock, wo es von einem mir unbekannten Menschen aufgefangen wird.
Indessen sind die Katzen aus der offenbar nun ebenfalls abhanden gekommenen Wohnungstür ins Treppenhaus entwichen. Katze Nini, heute nicht im schwarz-weissen Pelz, sondern braun gesprenkelt, hat es geschafft, in den 3. Stock hinunterzuspringen und schickt sich an, das Haus zu verlassen.
In Panik schreie ich: „Nini! Komm zurück! Du darfst nicht raus!“ Nini ist jedoch bereits im 2. Stock; ich muss es schaffen, die Treppenlücke zu überwinden und Nini hinterherzulaufen!
Anatol – hilfreich wie immer – bringt ein blaues Seil. Ich soll es am noch vorhandenen Treppengeländer festbinden und mich daran bis ins Erdgeschoß herunterhangeln. So würde ich Nini einholen und fangen können!
Als ich das Seil an dem Geländer verknoten möchte, verwandelt es sich unter meinen Händen in eine Kinderstrickleiter. Wird sie mein Gewicht überhaupt tragen? Nini ist nicht mehr zu sehen – Entsetzen bemächtigt sich meiner! Ich darf Nini nicht verlieren … Ich riskiere den Abstieg an der Strickleiter, verheddere mich jedoch bereits beim ersten Versuch, meine Füße auf die unteren Leiterverstrebungen zu setzen. Das Wasser tropft aus der Küche durch die Haustür ins Treppenhaus, während ich wie ein nasser Sack zwischen dem 3. und 4 Stock an der Strickleiter baumele und Minna voller Schrecken beginnt, lautstarke Pieptöne von sich zu geben…
Nun höre ich die Saurier meinen Namen rufen. Lauter und lauter dringt das Rufen zu mir durch, Treppenhaus und Strickleiter verblassen … ich wache auf – diesmal wirklich.
Schweissgebadet und zitternd liege ich im Bett. Saurier und Katzen sitzen besorgt um mich herum. „Seit Minuten schreist Du nach Nini! Wir haben Angst bekommen… Gerade hat die Spülmaschine zuende gespült – vielleicht hast Du deshalb immer gerufen, wir sollen das Wasser aufwischen? Hier ist aber alles trocken. Minna ist dicht.“
Glücklich stelle ich fest, dass im 5. Stock kein Wasserrohbruch stattgefunden hat. Ein kurzer Blick ins Treppenhaus beruhigt mich noch mehr: auch die Treppe ist am Platz.
Froh lege ich mich zurück ins Bett, um noch ein wenig von der verkorksten Nacht zum Ausruhen zu nutzen – aber da klingelt der Wecker.
Ein für allemal beschließe ich, die Spülmaschine nicht mehr auf den Nachtstrom zu programmieren.