161. Kapitel – Anatols kleiner Lieblingsladen

Ein Besuch bei Day by Day in Strasbourg

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Nachdem Anatol unseren Kühlschrank nicht nur außen aufs Gründlichste abgeschrubbt, sondern auch innen mehrfach mit Essig ausgespült und abgetrocknet hat, bietet sich nun ein sehr annehmbares Bild. So sauber hat der Kühlschrank selten ausgesehen.

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Der Kühlschrank nach Anatols Essigbehandlung.

Ich bin mit der Arbeit des Sauriers außerordentlich zufrieden und erlaube Anatol, heute mit zum Einkauf bei unserem Lieblingsladen, Day by Day in der Route du Polygone in Strasbourg, Neudorf zu kommen.

Day by Day ist das, was in Deutschland als „Unverpackt-Laden“ bezeichnet wird. Bei Day by Day gibt es alles ohne Verpackung! Man wiegt einfach das ab, was man braucht, füllt es in ein Marmeladenglas, welches man entweder selber mitbringt oder von Céline, der freundlichen und hilfsbereiten Ladeninhaberin, geschenkt bekommt. Die Gläser sind beliebig oft wiederverwenbar – es entsteht überhaupt kein Verpackungsmüll.

Alternativ kann man auch spezielle Behältnisse dort kaufen (Sprühflaschen zum Beispiel, und hübsche Fläschchen und Phiolen), aber im Regelfall reichen die Gläser, die dort verschenkt werden, vollkommen aus.

Um Day by Day zu unterstützen, kann man nicht mehr benötigte Gläser und Flaschen dort spenden.

Endlich können wir einkaufen, ohne überflüssigen Müll zu produzieren!

Was bekommt man bei Day by Day? Eigentlich fast alles. Zucker, Mehl, Reis, Nudeln, Tee… aber auch sehr feine Öle (vor allem Olivenöl), Essig, eingelegte Oliven, einen veganen und absolut unwiderstehlichen Schokoaufstrich (noch dazu ohne Palmöl!), und vieles, vieles mehr.

Viele Produkte haben ein Bio-Label (Ecocert zum Beispiel), andere sind nicht „Bio“. Ich habe beides ausprobiert: die Qualität ist durchweg hervorragend.

Anatols Lieblingsabteilung ist der Haushaltsbereich. Dort findet man vorwiegend Bioputzmittel, Savon de Marseille in jeglicher Form, Alepposeife… Anatol kauft hier die großartige schwarze Seife aus Marseille, die wie keine andere unsere Fliesen und das Parkett säubert und herrlich duften lässt. Für das Parkett gibt Anatol noch etwas Leinöl hinzu, damit alles glänzt und blinkt. Bisher hat kein anderer Reiniger es vermocht, die von den Katzen bei ihren Festgelagen angerichtete Schweinerei so zu beseitigen, dass niemand auf die Idee kommen würde, es habe jemals eine Katze hier etwas gefressen.

Was haben wir heute gekauft?

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Im Einkaufsbeutel waren: Spüli, WC-Reiniger, zwei Olivenölseifen (diesmal die flüssigen), Reis, Rohrzucker – und zum Naschen getrocknete Apfelscheibchen und kandierter Ingwer.

Geschenkt bekommen haben wir: ein Stück festes Shampoo von Pachamamaï – das Shampoo ist vegan und sehr sanft zu Haut und Haaren. Ich habe es heute schon ausprobiert, es macht die Haare wunderbar weich und leicht. Merci beaucoup!

Vergessen wurde: das désinfectant cuisine und das détachant avant lavage (Seifenspray für hartnäckige Flecken), das Anatol unbedingt probieren wollte. Vielleicht fahren wir morgen noch einmal hin. Wir finden jedesmal wieder neue praktische Dinge dort!

Wie sieht es mit den Preisen aus? Da hier nur sehr hochwertige Artikel verkauft werden, ist Day by Day kein Billigladen. Die Produkte werden zum großen Teil in Frankreich hergestellt – meist von handwerklichen Kleinbetrieben und Familienunternehmen – und sind von ihrer Zusammensetzung und Herstellung her ausgezeichnet, so z. B. die Haushaltsreiniger und auch unsere geliebte schwarze Olivenseife. Die Produkte sind außerordentlich ergiebig. Nach dem Gebrauch weiss man, warum man gut daran getan hat, sie zu kaufen – und warum man sie immer wieder kaufen wird.

Zudem muss man bei Day by Day keine großen Mengen kaufen – man entscheidet selbst, wieviel oder wie wenig man braucht. Und viele Produkte sind sogar deutlich günstiger als in anderen Läden, weil sie ohne die kostspielige Verpackung auskommen.

Das Preis-Leistungsverhältnis ist daher sehr gut, finden Anatol und ich. Und es ist uns wichtig, dass die Menschen, die Dinge für uns herstellen und verkaufen, einen fairen Preis dafür bekommen.

Hier ein paar Bilder von unserem Besuch. Der Laden ist wunderschön eingerichtet, wir fühlen uns dort jedesmal sehr wohl:

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Nachtrag – 26. August 2016

Da wir gestern ein paar Sachen vergessen haben, sind wir heute noch einmal zu Day by Day gefahren.

Dort haben wir zwei kleine Phiolen mit Sirup gekauft, sowie den détachant und den désinfectant cuisine. Der Pfirsich-Sirup wird gerade schon von Anatol und Elie weggeschlürft (verdünnt, selbstverständlich) :

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Den désinfectant werden wir sogleich am Kühlschrank ausprobieren. Leider hat er es doch noch nötig.

Anatol macht mich gerade darauf aufmerksam, dass unser Kühlschrank sehr viel Plastik enthält (insbesondere die Tupperdosen, die gar keine echten Tupperdosen sind). Und dass er immer mehr Blogger liest, die plastikfrei leben! Sicher würde unsere Plastikausstattung nicht gut ankommen … Dem widerspreche ich ausdrücklich.

Müssen unsere Nicht-Tupperdosen aus Plastik weg? Nein. Solange sie nicht kaputt sind, werden sie natürlich weiter benutzt. Es wäre widersinnig, Plastik wegzuwerfen, um Plastikmüll zu vermeiden. Für uns jedenfalls.

Die Tupper, pardon Nicht-Tupper (genauer gesagt: Ikea-Plastikboxen) bleiben also. Irgendwann werden wir sicher nur noch Glas- oder Edelstahlbehälter haben, aber bis dahin wird es noch etwas dauern.

150. Kapitel – Öko-Guru Anatol: wir kochen Sojamilch

Vor kurzem hatten wir von Anatols Joghurt-Experimenten berichtet. Wie ist es damit weitergegangen?

Leider muss ich sagen, dass Anatols Ergebnisse mit der Heizungs-Methode alles andere als zuverlässig sind. Mal schmeckt das Joghurt wunderbar, dann wieder ist es alkoholisch bizzelig und ungenießbar.

Nachdem Anatol diverse Joghurtversuche in der Mülltonne versenkt hatte, waren wir zähneknirschend zu der Erkenntnis gekommen, dass eine Joghurtmaschine her muss. Für diese hat Anatol sich entschieden:

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Anatols Joghurts sind seither ein Hochgenuss – nach gewissen Abenteuern mit unterschiedlichsten Joghurtkulturen. Mit den Yalacta-Kulturen aus der Apotheke haben wir nun unser Glück gefunden.

Aber wie kommen wir weg von den Tetra-Packs, in denen unsere Sojamilch schlummert?

Anatol hat beschlossen, einen Versuch zu wagen: und zwar will er Sojamilch einfach aus Sojabohnen selber herstellen. Ob das gut geht…?

Im Bioladen findet Anatol geschälte Sojabohnen. Das ist wichtig: ungeschälte Bohnen, so heisst es im Internet, sorgen für einen strengen Geschmack der Sojamilch und infolgedessen für eine schlechte Compliance beim Patienten – pardon, beim Sojamilchtrinker. Auf gut Deutsch: die Milch schmeckt dann so scheußlich, dass sie niemand trinken mag. Das wollen wir natürlich nicht.

Nach eifrigem Studium der einschlägigen Webseiten hat Anatol eine gute Anleitung für die Herstellung der Sojamilch gefunden.

Zunächst werden die Bohnen über Nacht eingeweicht (ganz einfach im Glas mit viel Wasser):

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Am nächsten Morgen macht Anatol sich an die Arbeit mit den Sojabohnen. Die eingeweichten Bohnen werden gewaschen und in einem großen Topf für anderthalb Stunden gekocht.

Meine Bemerkung, stromsparend sei die Sache wohl nicht, straft Anatol mit Nichtbeachtung. Mit Argusaugen überwacht er den Topf, in dem seine Sojabohnen köcheln und macht sich in der Küche zu schaffen.

Stören darf man den Saurier jetzt nicht.

Als die schier unendliche Kochzeit um ist, baut der Butler unseren Mixer auf und füllt eine relativ kleine Menge der gekochten und noch einmal gründlich gewaschenen Sojabohnen ein. Wasser kann man mit dem Rezept leider ebenfalls nicht sparen – dies verkneife ich mir jedoch, dem am Mixer hantierenden Saurier mitzuteilen.

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Die Bohnen werden etwa drei Minuten ganz fein gemixt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen:

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Die nächsten Schritte sind so aufwendig und machen so viel Dreck, dass wir in Zukunft darauf verzichten werden:

Die Milch, in der noch winzige Sojastückchen schwimmen, soll laut Rezept abgeseiht werden. Dies stellt sich als eine riesige Schweinerei heraus, da die Milch nicht durch das Passiertuch hindurchfließt. Auf Verlangen des Sauriers, der sich seine Pfötchen nicht schmutzig machen möchte, muss ich das Tuch mitsamt Inhalt auswringen – dies sollte nur mit frisch gewaschenen Händen stattfinden.

Nach einigen Anstrengungen ist die Milch im Glas:

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Der im völlig verschmierten Passiertuch noch vorhandene Rückstand heisst Okara und kann zu leckeren Dingen weiterverarbeitet werden. Leider ist unser Okara untrennbar mit dem Passiertuch verbunden. Unter dem lauten Protestgeschrei des Butlers wasche ich das Tuch aus – wir werden in Zukunft ein feines Sieb verwenden und das Okara gebührend weiterverarbeiten.

Wie schmeckt die selbstgemachte Sojamilch?

Anatol findet sie göttlich. Ich würde ihren Geschmack, wenn das Untier nicht mit dem Nudelholz neben mir lauerte, als gewöhnungbedürftig bezeichnen – auf keinen Fall aber als ungenießbar.

Anatol meint, man dürfe durchaus etwas Zucker oder Agavendicksaft in die Milch geben, um sie noch schmackhafter zu machen.

Fazit: der Arbeitsaufwand ist groß, der Geschmack annehmbar. Ich werde mit den Sauriern die Anschaffung eines Getreidemilch-Automaten erörtern. Vielleicht lohnt sich eine solche für uns?

Hier noch einmal alle Arbeitsschritte und das Rezept, welches inspiriert wurde von www.mehr-als-rohkost.de

  • Im Bioladen geschälte Sojabohnen kaufen; wir haben 500g gekauft, damit kommt man recht weit.
  • Etwa zwei Handvoll Sojabohnen über Nacht einweichen lassen (man kann aber auch deutlich mehr nehmen – siehe unten)
  • Am nächsten Morgen die Bohnen gut waschen und in einem Topf anderthalb Stunden kochen. Das ist wichtig, weil die Bohnen sonst unbekömmlich sind und Bauchschmerzen verursachen.
  • Die gekochten Bohnen in den Mixer tun, mit etwa drei mal soviel Wasser wie Bohnen.
  • Mindestens drei Minuten mixen, bis alles schön „glatt“ ist.

Den folgenden Schritt werden wir demnächst nicht mehr durchführen (wir werden uns nach einem sehr feinen Sieb umsehen; das Passiertuch gibt wirklich eine sehr große Schweinerei):

  • Die Sojamilch aus dem Mixer durch ein Passiertuch abseihen

Nun kommt die Sojamilch in eine Flasche und dann in den Kühlschrank. Sie hält sich gekühlt etwa eine Woche, sagt Anatol.

Je nach Gusto kann man sie mit Zucker, Agavensaft oder Ahornsirup verfeinern.

Um Strom zu sparen, hat Anatol gleich eine große Menge Sojabohnen eingeweicht und gekocht. Die überschüssigen gekochten Bohnen hat er eingefroren; ob das eine gute Idee ist, wird sich bei der nächsten Sojamilch-Aktion zeigen.

Viel Spaß beim Sojamilchherstellen!

Nachtrag: heute waren wir bei dm und haben Rohrzucker (Bio Vollrohr-Zucker) gekauft. Mit diesem lässt sich unsere Sojamilch tatsächlich in etwas verwandeln, das man durchaus als lecker bezeichnen könnte! Von unseren weiteren Sojamilch-Experimenten werden wir berichten!

126. Kapitel – Pancakes vegan

Ein verregneter 1. Mai verrinnt. Nachdem mehrere Versuche, an meiner Novelle weiterzukommen, kläglich gescheitert sind, lege ich mich mißmutig zu einem Mittagsschlaf hin. Am späteren Nachmittag wühle ich ich mich endlich aus dem Bett – und stelle fest, dass Anatol alles andere als müßig gewesen ist. Mehrere Wäschen hängen bereits zum Trocknen auf der Leine, die Küche ist geputzt, und der Butler schickt sich soeben an, das Teewasser aufzusetzen. Elie schmökert, ins Nestchen eingekuschelt, in seinem neuen Buch.

Meine schlechte Laune verwandelt sich augenblicklich in Wohlgefallen. Bald gibt es Tee – eine herrliche Aussicht.

Ein Rumoren ertönt aus der Küche. Anatol scheint den Vorratsschrank umzugraben – so hört es sich jedenfalls an. „Patsch“ – da fliegt eine Packung Mehl aus dem unteren Fach auf den Küchenboden. Backutensilien folgen. Der Butler scheint etwas vorzuhaben.

„Wir haben Unmengen von Mehl,“ stellt der Saurier fest. „Vom Lagern wird es nicht besser. Ich backe jetzt Pancakes.“

„Aber davon wird sie doch fett!“ ruft Elie aus dem Nestchen heraus. Bevor ich das Früchtchen packen kann, ist es allerdings schon aus dem Nest herausgeklettert und flink in den Küchenschrank zu Anatol gehüpft. Von dort aus sieht es mich feixend an.

Drohend gehe ich auf den Küchenschrank zu, da meint Anatol beschwichtigend „Nein, ich mache ganz kalorienarme Pancakes. Also – so kalorienarm, wie das bei Pancakes möglich ist.“

Elie krabbelt aus dem Schrank heraus und sieht mich treuherzig an. „Du hattest doch letztens gesagt, Du wolltest nicht mehr soviel Süßes essen … damit Du nicht dick wirst! Oder?“

Das stimmt sogar. Angeregt von meinen minimalistischen Blogger-Kameraden Apfelmädchen und Sadfsh hatte ich mich entschlossen, nur noch ganz wenig oder sogar gar keinen Zucker mehr zu konsumieren. Bisher ist es mir auch gelungen, den Zuckerverbrauch einzuschränken – ein gänzlicher Verzicht war indessen nicht möglich.

Anatol stellt nun klipp und klar fest, dass er keine Pancakes ohne Zucker brät. Für derlei neumodische Geschmacksverirrungen sei ihm seine Zeit zu schade. Heimlich freue ich mich darüber, denn zuckerfreie Pancakes mag ich mir nicht vorstellen.

IMG_3641„Ich will heute ein neues Rezept ausprobieren,“ kündigt der Butler an. „Und zwar habe ich ein original amerikanisches ‚5 minutes vegan pancakes‚ Rezept gefunden. Das mache ich jetzt.“

Was kommt in den Pancake-Teig? Hier tut sich ein ungewohntes Problem auf: die Maßangaben sind unklar: wir brauchen unter anderem „1 cup Mehl“ und „1 cup Sojamilch“.

Was ist ein „cup“? Glücklicherweise finden wir auf „USA kulinarisch“ schnell Hilfe. Ein „cup“ entspricht ca. 235 ml bei Flüssigkeiten, und ungefähr 120g bei trockenen Zutaten wie Mehl.

Wir nehmen also:

60 g Mehl (Anatol hat heute den Rest glutenfreies Mehl verwendet, aber das muss man nicht, wenn man Gluten verträgt)
1/2 Esslöffel Zucker
1 gestrichenen Esslöffel Backpulver
1 Prise Salz
100 ml Sojamilch (+/-)
1 Esslöffel Sonnenblumenöl

IMG_3643Anatol mischt zuerst die trockenen Zutaten und fügt dann langsam die Sojamilch hinzu, damit es nicht klumpt.

Danach wird die kleine Pancake-Pfanne, die unsere Vermieter uns vor Jahren aus dem Urlaub mitgebracht haben, auf die Kochplatte gestellt und aufgeheizt.

Anatol zetert bereits im Voraus – seine Pancakes brennen nämlich immer an und kleben an der Pfanne an. Elie und mir ist das allerdings gleich – schmecken tun sie ja trotzdem! Anatol möchte aber verständlicherweise eine auch optisch gelungene Leistung erbringen: der Stolz des Kochs … dies wird indessen einmal mehr nicht gelingen. Die Pancakes verschmelzen gleichsam mit der Pfanne und müssen – ein heikler Vorgang – unter Aufbietung aller Kräfte Anatols aus dem Küchenutensil herausgekratzt werden.

Die beabsichtigte Form behalten sie dabei naturgemäß nicht vollständig – das heutige Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen. IMG_3644IMG_3645 Mit etwas Honig (nicht vegan, aber hier machen wir manchmal eine Ausnahme) schmecken die Pancakes köstlich. Ganz original amerikanisch – und vegan! – wäre Ahornsirup gewesen, aber leider hat Anatol so etwas nicht im Haus. Aber das kann man ändern.

Wir wünschen Euch allen einen wunderschönen 1. Mai!IMG_3646

96. Kapitel – Der Rotkohl

Seit mehreren Wochen liegt mir Anatol mit dem Rotkohl in den Ohren.

„Wir müssen unbedingt Rotkohl kaufen! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Den dürfen wir nicht verpassen!“

Ich für meinen Teil habe es mit dem Rotkohl nicht so eilig. Der Kohlkopf ist schwer und unhandlich. Das Kleinschneiden ist mühsam – und meine Aufgabe, da der Butler dafür zu klein ist. Davor schrecke ich etwas zurück. Allerdings hat Anatol mit einem Recht: gut zubereiteter Rotkohl ist eine Delikatesse.

Daher habe ich mich am Samstag breitschlagen lassen und Anatol erlaubt, einen riesigen Rotkohl vom Markt mitzubringen.IMG_3218 Der mittlere Topf ist damit überfordert: Anatol klaubt ganz hinten aus dem Küchenschrank den riesigen Kochtopf hervor. In diesen wird der Kohl hoffentlich hineinpassen.

Auf die Waage bringt der stattliche Kohlkopf ganze 3 kg.

Anatol trägt mir nun auf, das Kohlmonstrum in vier Teile zu schneiden, zu waschen und dann in feinste Streifchen zu hobeln – diese Arbeit sei selbstverständlich unter seiner Würde.

Während ich den Kohl schneide, brät Anatol in dem Topf Äpfelchen und Zwiebelchen mit etwas Olivenöl und viel Zucker an.

Wir lassen uns von dem Rezept unserer Omi aus Pommern inspirieren – original hätte dazu noch Gänseschmalz gegeben werden müssen, aber Anatol kocht ja rein vegan. Daher wird der Rotkohl mit ein wenig Olivenöl zubereitet.

Der Kohl ist nun so fein gehobelt, wie mir das nur möglich ist. Dennoch ernte ich üble Beschimpfungen des Butler, der mich anbrüllt:

„Was ? Das soll feingeschnitten sein ? Noch grober konntest Du es wohl nicht schnippeln ? Höchstens 2mm dick dürfen die Kohlstreifen sein! Mit diesem groben Kram kann ich nichts anfangen! Ich sag es immer wieder: in der Küche bist Du mir ein Klotz am Bein!“

Ich packe das unverschämte Biest und halte es drohend über den Kochtopf. Dies beruhigt den selbsternannten Küchentyrannen etwas.

„Ist ja schon gut – ich werde versuchen, doch noch etwas aus diesen groben „Abschnitten“ zu zaubern. Aber sogar ich kann da nichts versprechen“ fügt er herablassend hinzu.

IMG_3219Auf die gedünsteten, leicht angebratenen Zwiebeln und Äpfel darf ich nun den Kohl geben.

Sogleich träufelt Anatol Essig über den Kohl – so bekomme dieser seine schöne lila, ins tiefblaue gehende Farbe, sagt der Saurier.

Anschließend wird der Kohl gezuckert, und es kommen Gewürznelken, ein paar Pfefferkörner und Salz hinzu.

Der Kohl muss nun – zunächst ohne Deckel – vor sich hinköcheln. Ab und zu rührt Anatol um.

Der Topf ist bis an die Oberkante voller Kohl. Wir hoffen, dass nichts überkochen wird.IMG_3220 Schließlich kann der Topf mit dem Deckel geschlossen werden, und der Kohl muss nun mehrere Stunden schmoren.

Ab und zu schmeckt Anatol ab: unter Gefauche und Geschimpfe – da die Kohlstreifen zu grob geraten sind – werde ich zurechtgewiesen, dass ich den Kohl verhunzt habe. Dass so grob geschnittener Kohl gar nicht schmecken könne – aller Kochkünste zum Trotz, deren Anatol fähig sei.

Ich ziehe mich zu Elie aufs Sofa zurück, schlage ein Buch auf und überlasse Anatol die Küche. Zeternd und mit Küchenutensilien klappernd macht sich der Butler daran, die Kartoffeln aufzusetzen, die zum Kohl serviert werden sollen. Die Kohlaffäre scheint für den Saurier eine rechte Haupt- und Staatsaktion zu sein.

Kohl und Kartoffeln köcheln nun fleißig vor sich hin. IMG_3224Anatol baut indessen das Bügelbrett auf und beginnt, die Bügelwäsche zu bearbeiten – nicht ohne Elie und mich mit scharfem Unterton darauf hingewiesen zu haben, dass in diesem Haushalt nichts funktionieren würde, wenn er, Anatol, sich nicht um alles kümmerte.

Ob wir Anatol in Zukunft wohl noch duzen dürften, fragen Elie und ich spitzbübisch – oder ob Seine Herrlichkeit nun fordere, dass man sie im Pluralis Majestatis anspreche?

Darauf erleidet unser Haustyrann einen Wutanfall. Blindwütig stampft er mit der Plüschtatze auf den Boden, dass es nur so knallt. Elie springt vor Schreck vom Sofa auf.

„Ab jetzt streike ich!“ brüllt Anatol. „Alles bleibt an mir hängen! Ihr sitzt wie die Ölgötzen auf dem Sofa, und ich darf arbeiten!“

Ich lasse mich von dem Tobsuchtsanfall des Butlers nicht beeindrucken. Das Biest ist ein hervorragender Schauspieler.

„Anatol, ich habe Dir in der Küche geholfen, bis Du mich als „Klotz am Bein“ bezeichnet und wüst beschimpft hast. Gib es zu: Du hast nur Angst, dass Dir der Kohl nicht gelingt – und suchst nun einen Schuldigen!“

Elie fügt leise hinzu „Also ich esse den Kohl auch, wenn er nicht zu 100% gelungen ist… “

Schlagartig verfliegt der Zornausbruch. Zerknirscht gibt Anatol zu, dass irgendwas mit dem Kohl „nicht stimme“. Aber was das nun sei – ob es an dem groben Zuschnitt, den Äpfeln oder der Nelke läge oder am Olivenöl, das wisse er noch nicht.

Ich probiere den Kohl. Er ist nur nicht ausreichend durchgezogen. Zudem fehlt etwas Salz. Ansonsten ist der Kohl jedoch perfekt – wenn auch etwas zu grob geschnitten, das muss ich zugeben.

IMG_3229Stunden später serviert uns der Butler bester Laune einen köstlichen, wunderbar durchgegarten, süß-säuerlichen Rotkohl mit Salzkartoffeln.

Ich nehme mir dreimal nach, Elie und Anatol viermal.

Unser Starkoch ist selig.