135. Kapitel – Der Gasthof am Edersee II

Eine Reiseerzählung – Teil 2: Die Reise

Foto: Axel Hindemith / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de

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Der Kellner des Restaurants „Seeblick“ scheint nicht gut auf Agamenmixe zu sprechen zu sein. Er lässt sich, nachdem ich meine Bestellung aufgegeben habe, nicht mehr sehen. Stattdessen kommt eine Dame mittleren Alters, offenbar die Chefin des Restaurants, und serviert mir die begehrten Bratkartoffeln und den Salat.

Betont unbeteiligt fragt sie mich, während sie mir das Besteck hinlegt, wo denn mein Feriendomizil liege? Ob ich nicht vielleicht erwägen möchte, hier im „Seeblick“ – welches auch über schöne Gästezimmer verfüge – zu bleiben? Ganz unerwartet sei morgens nämlich noch ein Zimmer freigeworden.

Ich danke der Dame für den freundlichen Vorschlag, erkläre ihr aber, dass unsere Unterkunft bereits gebucht und bezahlt sei, und zwar im „Alten Schloss“, wohin ich mich im Übrigen gleich nach dem Mittagessen zu begeben gedächte. Ob die Zimmer dort schon Nachmittags für die ankommenden Gäste zur Verfügung stünden?

Mein Domizil scheint keine Gnade vor den Augen der Restaurantchefin zu finden. „Hat er doch wieder angefangen!“ murmelt sie für sich – sichtlich verstimmt. Mir wirft sie nur ein knappes „Familiengeschichten – Sie verstehen!“ zu und geht. Als ich an der Theke zahle – weder Kellner noch Chefin scheinen mehr an meinen Tisch kommen zu wollen – flüstert mir die Bedienung zu: „Ich würde nicht zum alten Schloß gehen! Wenn Sie möchten, halte ich Ihnen das Zimmer bei uns frei. Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung!“

Freundlich dankend lehne ich ab. Die Konkurrenz unter den Gasthöfen scheint groß zu sein, wenn derart um Gäste gekämpft wird! Kopfschüttelnd besteige ich das Rad und fahre los, die alte Wanderkarte aus den 70er Jahren über den Lenker ausgebreitet. Den Weg hatte uns niemand erklären wollen – ich hatte allerdings auch darauf verzichtet, die Frage noch einmal ausdrücklich zu stellen.

Die Karte verzeichnet – auch nach 40 Jahren noch zuverlässig! – den „Sechs Buchen“ genannten bewaldeten Gipfel, in dessen Nähe angeblich unser Gasthof liegen soll. Ein „Altes Schloss“ suchen wir indessen vergeblich auf dem vergilbten Papier.
Anatol kratzt sich am Kopf. „Die genaue Adresse des Gasthofs lautet: ‚Am Katzenstein unter den sechs Buchen, bei Schloß Waldeck‘. Das muss doch auf der Karte irgendwie einzugrenzen sein!“

Das Gegenteil ist der Fall. Ich zeige Anatol die Karte – die sogenannte „genaue Adresse“ bezeichnet ein ausgedehntes Areal, welches unter anderem das Naturschutzgebiet „Katzenstein“ einschließt. Dieses beschreibt uns Elie nach einem Blick in sein Tablet, das tatsächlich hier Internetanschluss hat, folgendermaßen: „Der Katzenstein gehört zu den floristisch reichsten Waldnaturschutzgebieten in Hessen. Er liegt nördlich des Edersees ca. einen Kilometer westlich von Waldeck. Es handelt sich um einen lang gestreckten Bergrücken mit einer breit abgeflachten Kuppe, der nahezu vollständig bewaldet ist.

Ich beginne zu bereuen, das Zimmer im „Seeblick“ nicht angenommen zu haben. Wie sollen wir unseren Gasthof auf dem „langgestreckten Bergrücken“ finden? Eine Telefonnummer hatte Anatol bei der Reservierung nicht bekommen, ebensowenig eine Emailadresse. Fast glaube ich, einem schlechten Scherz aufgesessen zu sein – wogegen allerdings spricht, dass der Gasthof im „Seeblick“ offenbar bekannt und als Konkurrenz gefürchtet ist.

Verdrossen und müde trete ich in die Pedale. Der vor uns liegende Waldweg führt direkt über den Katzenstein. Ich verkünde mit Nachdruck, dass es nun genau zwei Möglichkeiten gäbe: entweder der Gasthof „Zum alten Schloß“ liegt an unserem Waldweg im Katzenstein und wir fänden ihn daher in Kürze – oder aber es geht umgehend zum „Seeblick“ zurück, wo wir das uns angebotene Zimmer nehmen würden. Das bereits überwiesene Geld für den Gasthof „Zum alten Schloß“ werde in letzterem Fall vom Taschengeld der Saurier abgezogen.

Protestgeschrei ertönt! Ich bleibe indessen hart. Seit über 10 Stunden bin ich auf den Beinen, ein Gasthof ist nicht in Sicht – meine Geduld neigt sich dem Ende zu.

„Achtung! Halt!“ ruft Elie plötzlich. „Da ist ein kleiner Holzpfeil am Baum. Mit einer Inschrift!“ In der Tat steckt – mit einem rostigen Nagel angeheftet – an einer alten, etwas abseits vom Weg stehenden Buche ein verwittertes Schildchen in Form eines Pfeils. „Zum alten Schloß“ steht dort, mit einem Messer eingeschnitzt.

Der Pfeil zeigt direkt in den Wald hinein.

…zur Fortsetzung!

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