Zu meinem Geburtstag vor ein paar Tagen hat mir meine Mama mit Hilfe meiner Schwester ein großartiges Geschenk gemacht: einen emaillierten gußeisernen Bräter in der „Anatol-Farbe“ Basilikumgrün.
Der Saurier hat sich das herrliche Utensil sofort unter den Nagel gerissen. Abwaschen, Abtrocknen und Wegräumen des Bräters – darum dürfe ich mich kümmern. Die noblere Aufgabe der Zubereitung von feinsten Gerichten in diesem Rolls-Royce der Haute cuisine, das obliege einzig und allein dem Chef – mithin Anatol.
Seufzend hatte ich mein Geburtstagsgeschenk dem Butler überlassen. Ich hatte den Bräter noch ausspülen und trocknen dürfen, danach war ich der Küche verwiesen worden. Mit dem Laptop hatte der Saurier sich dort eingeschlossen – dann war längere Zeit nur leises Rumoren aus des Untiers Allerheiligstem zu vernehmen.
„Susanne!“ ruft der Butler schließlich im Befehlston. „Ich brauche Dich zum Gemüseschneiden. Komm sofort her!“
Ich weiss, dass das Tier nun keine Widerrede duldet. Neugierig, wie wohl mein schöner Bräter eingesetzt werden mag, betrete ich die Küche.
Anatol weist mich an, Kartoffeln, Paprika und Tomaten zu waschen und in kleine Viertelchen zu schneiden. Er selbst springt zwischen dem Laptop und der kleinen Casserolle, in der er offenbar eine Marinade zubereiten will, hin- und her.
Während ich das Gemüse abwasche, schiele ich auf den Bildschirm des Laptops. Dort lese ich „Rogan Josh“ und „Jamie Oliver“. Die Webseite ist auf Englisch – versteht der Butler das denn überhaupt ausreichend? Dann sehe ich, dass das Rezept ein Lammfleisch-Curry ist. Was hat der Saurier sich denn dabei nur gedacht?!
Anatol errät meine Gedanken. „Keine Sorge, wir essen kein Fleisch. Ich habe das Rezept etwas abgewandelt – so wird es sogar vegan. Fleisch kommt mir nicht auf den Teller. Schließlich bin ich ein reiner Pflanzenfresser. Anstelle von Lammfleisch nehmen wir einfach Kartoffeln.“
Dann vertieft er sich wieder in das Rezept – jedes zweite Wort auf leo.org nachschlagend. Kann das etwas werden…?
Gerade versuche ich, das kompliziert klingende Rezept nachzuvollziehen, da flucht das Untier laut auf. „Ingwer! Frischer Ingwer soll da auch rein – den habe ich aber nicht im Haus. Susanne, haben wir noch Ingwerpulver?“ Ich schüttle den Kopf. Der Saurier setzt zu einer Schimpfkanonade an – dann verstummt er. „Ich habe noch etwas Zitronensaft. Das kann vielleicht den Ingwer … nun vielleicht nicht ersetzen, aber doch einen etwas exotischen Geschmack dazugeben. Könnte klappen …“
Dann zückt er das kleine Fläschchen, in dem er den Zitronensaft aufbewahrt, und gießt ihn in die Casserolle, in die er bereits Unmengen von kleingehacktem Knoblauch geworfen hat:
Was für ein Gemisch soll das nur geben? Bang versuche ich, das Rezept nachzulesen und zu verstehen – dies gelingt indessen nicht.
Anatol schnappt sich das gestern frisch angesetzte Sojajoghurt aus dem Kühlschrank und gibt 4 große Esslöffel davon in die Casserolle. Dann streut er einen Teelöffel Kurkume darüber und vermischt Knoblauch, Zitronensaft, Kurkume und Joghurt miteinander zu einer Marinade, in die ich die Kartoffelviertelchen geben darf.
Die kleine Casserolle bekommt einen Deckel aufgesetzt und kommt in den Kühlschrank.
Dem Rezept entnehme ich, dass das Ganze über Nacht marinieren soll – hierfür ist aber keine Zeit, denn wir wollen ja das Curry (sollte es denn ein solches werden) heute Abend essen …
Knapp erklärt Anatol, es reiche aus, wenn die Kartoffeln nur eine Stunde in der Marinade eingelegt blieben. Da sei er sich ganz sicher!
Ich bin weniger sicher, äußere mich aber lieber nicht. Wenn der Butler erst einmal in Aktion ist, kann man ihn nicht bremsen!
Nun wird endlich der Bräter – oder sollte man nicht eher „Schmorpfanne“ sagen? – eingesetzt. Mit etwas Olivenöl brät Anatol zwei klein geschnittene Zwiebeln an, dann darf ich die Paprikastückchen und die Tomatenviertelchen hinzugeben.
„Das muss jetzt schmoren!“ erklärt der Saurier und entfernt sich aus der Küche – das Überwachen des Bräters überlässt er wortlos mir.
Ich vertiefe mich indessen in das Rezept. Entsetzt stelle ich fest, dass – zusätzlich dazu, dass das darin verwendete Fleisch durch Kartoffeln ersetzt wurde – Anatol überhaupt nichts so zubereitet hat, wie das Rezept es vorsieht. Offenbar ist es unter des Sauriers Würde, einfach nur ein Rezept nachzukochen. Was werden wir heute Abend zu essen bekommen? Schon die Gewürze, die das Rezept aufzählt, sind gar nicht vorhanden. Wir haben weder frischen Koriander noch Kardammom, geschweige denn eine Zimtstange, Paprikapulver oder Sesamöl. Von den weiteren geforderten Zutaten haben wir eigentlich gar nichts im Haus. Doch- Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten. Diese sollen aber eigentlich zu einer Paste gemixt werden: auch das hat der Butler nicht getan.
Was hat er sich hier nur gedacht?
Händereibend betritt der Saurier die Küche. Als erstes lüpft er den Deckel der Sauteuse, wie der Bräter hier heisst. „Fein!“ meint er. „Jetzt können die Kartoffeln dazu.“ Dann holt er die in dem Knoblauch-Joghurt-Mix eingelegten Kartoffeln aus dem Kühlschrank und löffelt das Ganze in den Bräter.
Zum Schluß gibt er noch etwas von unserer Rogan Josh-Paste von Pataks dazu und schließt den Deckel wieder.
Dann befiehlt er mir, das von ihm „ganz allein erdachte Rezept“ hier im Blog aufzuschreiben.
Da ich nicht lügen möchte, lege ich unter lautem Protestgeschrei des Sauriers die Wahrheit offen. Das Ursprungsrezept stammt von dem nicht unumstrittenen englischen Starkoch Jamie Oliver. Anatol hat im Grunde nichts von dem Rezept beachtet und dankenswerterweise das Lammfleischgericht in ein veganes Essen verwandelt. Nur den Namen (Josh Rogan) hat er übernommen.
Anatol behauptet, er habe aus dem Rezept erst ein perfektes Curry gezaubert.
Ich hingegen frage mich, ob der Butler – des Englischen nicht wirklich mächtig – einfach alles nur falsch verstanden hat.
Geschmeckt hat es aber trotzdem!