131. Kapitel – Abenteuerferien in Britisch Kolumbien

„Quicquid aetatis retro est, mors tenet“

Anatol und Elie haben mich so lange bearbeitet, bis ich nachgegeben habe. Wir werden das alte Kanada-Tagebuch von Susanne & Judith aus dem Jahre 1985 in seinem Original hier im Blog veröffentlichen. Die Beiträge stammen teils von mir (damals 16 Jahre alt) teils von meiner Schwester Judith (damals 13).

Das Tagebuch beginnt mit einem Photo meines Vaters, der uns mitten in der kanadischen Wildnis das Frühstück zubereitet. Auf diesem Bild ist mein Vater genau so alt wie ich heute… wie konnten 30 Jahre so schnell vergehen?

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Sonnabend, den 13.7.85
Endlich ist es soweit! Heute sind wir nach Kanada geflogen. Pünktlich zur Abfahrt ist der Photoapparat kaupttgegangen. Die Batterien waren alle. Weil wir wie üblich zu spät gekommen sind, bekamen wir einen Platz in der „Executive classe“.

Sonntag, den 14.7.85
Wir wollten heute das Auto kaufen…

Hier schaltet sich Elie ein. „Wieso wolltet Ihr denn in Kanada ein Auto kaufen?“ Die Frage ist berechtigt. Ich erkläre die Autofrage: „In Amerika – und dazu gehört Kanada – kann man ohne Auto nichts unternehmen. Die Entfernungen sind so groß, dass man es sich hier schwer vorstellen kann. Wir brauchten also unbedingt ein Auto. Die Automietpreise waren sehr hoch, so haben wir das Auto lieber gleich gekauft. Bevor wir zurückgeflogen sind, haben wir es einfach wieder verkauft. So macht man das dort.“

Es geht weiter im Tagebuch:

Papa hat sich an der Rezeption erkundigt, ob die Geschäfte sonntags aufhaben. Das Mädchen an der Rezeption (Diane) hat ihren Vater (Fred) angerufen, und der hat mit uns das Auto gekauft. Überhaupt sind alle Leute hier sehr hilfsbereit und freundlich.

IMG_3800Montag, den 15.7.85
Heute sind wir zum Cariboo District aufgebrochen! Fred hatte uns empfohlen, dorthin zu fahren und hat uns seinen Grill mitgegeben (für unseren gibt es hier keinen Sprit). Abends waren wir in Chilliwack (Motel mit Schwimmbad!).

IMG_3782Dienstag, den 16.7.1985
Einkauf in Chilliwack (Badehose für Papa). Dann sind wir weiter in Richtung Norden gefahren. Am Abend haben wir zum ersten Mal das Zelt aufgeschlagen, gleich in der Nähe vom Fraser River.

Mittwoch, den 17.07.1985
Die Gegend ist einfach trostlos. Heute morgen sind wir zum Fraser River gegangen, um Gold zu waschen. Nach kurzer Zeit hatten wir welches gefunden! Der ganze Sand steckte voller Goldstaub. Leider konnten wir es einfach nicht vom Sand trennen. Nach einem Bad im Fraser River sind wir abgefahren. Das Land glich einer Wüste, und die Hitze war unerträglich. Seltsamerweise gab es hier überall Geschenkläden und Gewürzstände.

IMG_3863Die sogenannten Städte bestehen aus aneinandergereihten Eisenbahnwaggons. – Eine besonders kleine Stadt war Spuzzum. Einige Meter vor der „Stadt“ sahen wir das Schild „Entering Spuzzum“ und „Welcome“. Dann sahen wir eine verfallene Hütte, eine Tankstelle und viel Müll. Daraufhin kam das Schild „Thanks for visiting Spuzzum“ und das wars. Die Orte Ashcroft und Cache Creek werden hier besser nicht erwähnt, mit Rücksicht auf die Einwohner. – Endlich waren wir am Cariboo. Schreckliche Enttäuschung: es war Taiga. Verkrüppelte Birken und Tannen.

Donnerstag, den 18.7.1985
Die Nacht am Green Lake war sehr kalt. Das fanden auch die Wölfe, deshalb heulten sie wohl so. Morgens wurde es sehr heiss, weil die Sonne aufs Zelt schien. Da der Campingplatz nur mit Plumpsklo ausgerüstet war und die Nachbarn laute Popmusik erschallen ließen, verließen wir diesen Ort nach einem Bad im See schleunigst.

IMG_3864IMG_3785Wir nahmen die Route nach Kamloops, wo wir einen Provincial-Park fanden, auf dem wir blieben. Leider war der Untergrund aus Schotter, in den wir unsere Heringe nicht reinkriegten. Deshalb haben wir das Zelt im Wald aufgebaut. Wir waren gerade fertig, da kam der Campinggroundfritze und befahl uns, das Zelt wieder auf dem Schotter aufzubauen. Dafür sind wir auch gleich am nächsten Morgen wieder abgefahren.

Anatol hat bis hier stillgehalten. Jetzt rutscht er aufgeregt hin und her und will Einzelheiten wissen. Ich unterbreche meinen damaligen Bericht also und lasse Anatol ein paar Fragen stellen.

„Wieso haben da Wölfe geheult!? Gibt es da einfach so Wölfe draußen? Das ist doch toll! Wieso seid Ihr nicht an diesem See geblieben? Der sieht auf den Photos wunderschön aus! Ich verstehe nicht, dass Ihr jeden Tag weitergefahren seid und warum Deine Erzählung so … enttäuscht klingt!“

Das muss ich in der Tat erklären. Warum erschien uns das lang erträumte Kanada, als wir endlich da waren, so unwirtlich und öde? Die Antwort ist einfach: weil wir uns über Jahre etwas ganz anderes unter „Abenteuerferien in Kanada“ vorgestellt hatten.

Unsere Reise nach Kanada hatten wir uns seit Jahren ausgemalt. Wir hatten uns große Wälder und unberührte Landschaften erdacht – unbewusst mit dem Bild eines gigantischen Göttinger Hainbergs im Kopf. Dass Kanada möglicherweise kein größeres Südniedersachsen war, war uns nicht in den Sinn gekommen. Umso schlimmer war die Enttäuschung, als sich die Wirklichkeit als ganz anders als die Traumvorstellung herausstellte.

Anatol bemerkt spitz: „Na ja, aber wie kann man denn so – pardon – hirnverbrannt sein und sich vorher nicht erkundigen über das Land, in das man fährt?“

Ich seufze. „Wir hatten uns ja „erkundigt“. In Büchern wie „Kleines Haus im großen Wald„, „Arundel„, „Die Nordwestpassage“ usw. Wir hatten alle möglichen Abenteuerromane gelesen, die dort spielen. Ich gebe zu, dass es sich hierbei nicht um die einschlägige Reiseliteratur handelt. Um die hatten wir einen großen Bogen gemacht.“

Anatol schnaubt. „Da sind wohl drei Hornochsen auf Reisen gegangen!“ Ich möchte dazu nichts sagen (meine Mutter hatte sich damals ähnlich geäußert und hatte im Übrigen davon abgesehen, mitzukommen) und fahre fort in meinem Reisebericht.

Freitag, den 19.7.1985
Wir haben noch keinmal Mittag gegessen – wir hatten einfach keine Zeit. Heute sind wir ins Okanagan Tal gefahren. Dort soll es schön sein. Pustekuchen! Es war noch schlimmer als vorher und vor allem heißer. Am Kalamalka-See haben wir übernachtet. Er war warm und sehr dreckig.

Sonnabend, den 20.7.1985
Heute kamen wir an einem tollen See vorbei! Man hätte sicher toll baden können. Um zum Strand zu kommen, mussten wir über Privatgebiet gehen. Sofort wurden wir von Häschern ergriffen und zurückbefördert. – Dann kamen wir durch eine „Stadt“, in der es ein englisches Antiquitätengeschäft gab. Wir hielten sofort an. Das Geschäft gehörte einer netten älteren Dame, die Engländerin war. Sie hatte über Britisch Kolumbien genau dieselbe Ansicht wie wir: keine Bäume, keine Städte, keine Kultur. Hier können wir nicht wohnen. Den Traum vom Grundstück haben wir sowieso schon aufgegeben.

Hier mischt Elie sich ein. „Das kann doch gar nicht stimmen, dass es in Britisch Kolumbien keine Bäume gibt! Du übertreibst doch wieder einmal maßlos!“

Ich gebe zu, dass es natürlich in der von uns besuchten Gegend Britisch Kolumbiens auch Bäume gegeben habe. Vereinzelt! Die Region, in die wir gefahren waren, ist aber – dies sagten uns die Anwohner dort – in den vergangenen Jahrhunderten restlos abgeholzt worden. Daher gibt es dort keine Wälder mehr. Man nennt die Gegend auch „Das Arizona Britisch Kolumbiens“. Um in die großen Wälder zu kommen, hätten wir viel weiter nach Norden fahren müssen – noch weiter als zum Green Lake. Dort hatten nachts indessen die Wölfe geheult, was unseren Vater dazu veranlasst hatte, lieber nicht weiter in die Wälder vorzudringen. Bezeichnenderweise waren wir die Einzigen, die im Zelt campten – alle anderen Camper waren in großen, wolfssicheren Campingwägen untergebracht.

„Aber Wölfe greifen doch keine Menschen auf Campingplätzen in ihrem Zelt an!“ ruft Elie empört. „Wölfe haben dazu viel zu viel Angst vor Menschen!“

Kleinlaut räume ich ein, dass wir das auch gedacht hatten. Wenn allerdings nachts die Wölfe um den Campingplatz schleichen und laut heulen, überlegt man es sich zweimal, ob man – darauf vertrauend, dass der Wolf viel mehr Angst hat als man selbst – das Zelt verlässt, um sich auf das 50m entfernte Plumpsklo zu begeben – oder ob man lieber vor Furcht zitternd weiter im Zelt einhält. Beides sind keine zufriedenstellenden Alternativen. So waren wir lieber nicht am Green Lake geblieben und in etwas großzügiger bevölkerte Landstriche – ohne Wölfe – gefahren.

Anatol will nun noch wissen, was es denn mit dem „Traum vom Grundstück“ auf sich hatte.

„Wolltet Ihr etwa auswandern?“ fragt er erstaunt.

Der Traum vom Grundstück hing mit dem geopolitischen Hintergrund der 80er Jahre zusammen: dem kalten Krieg – und erklärte sich auch aus den persönlichen Kriegserfahrungen meiner Eltern. Auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs baute sich damals das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens auf. Dieses sollte uns vor dem Atomkrieg schützen.

Was den damaligen Strategen als „bombensicher“ erschien, war dem einfachen Bürger indessen suspekt – ist doch ein „Gleichgewicht des Schreckens“ ein nicht gerade vertrauenerweckendes Konzept. Jede Seite des „Gleichgewichts“ hätte die Erde 100fach zerstören können – keine angenehme Aussicht. Manche Menschen richteten sich Atombunker unter dem Keller ein und statteten diese mit tausenden Rollen Toilettenpapier und Brühwürfeln aus. Andere erklärten ihr Haus schlicht zur „atomwaffenfreien Zone“, politisch Aktive gingen auf die Straße und demonstrierten. Meine Eltern sahen es als das Sicherste an, im Notfall die Füße entscheiden zu lassen und einfach „abzuhauen“. Die Frage war: wohin? Dies hatte mein Vater getreu einem alten deutschen Motto so beantwortet: ganz tief hinein in den Wald, wo einen niemand findet. Da der größte Wald in Kanada zu erwarten war, war die Wahl auf dieses Land gefallen. Selbst meine Großmutter hatte den Plan des ansonsten von ihr angehimmelten Sohnes damals als „Phantastereien“ bezeichnet – was uns jedoch von dem Kanada-Projekt nicht abgehalten hatte.

Kopfschüttelnd murmelt Anatol „Wie kann man nur so …“ und verstummt gnädigerweise. Dann lässt er mich fortfahren:

Sonntag, den 21.7.1985
Heute wollen wir zurück an die Küste. Dort ist es immer noch am schönsten. Zum Glück haben wir einen schönen Camping-Platz gefunden.

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Montag, den 22.7.1985
Nach Vancouver! Dort haben wir uns noch Grundstücke angesehen, die aber viel zu teuer waren. Abends haben wir gegrillt und sind dann ins Bett gegangen.

Dienstag, den 23.7.1985
Wir haben heute unseren Campingplatz gewechselt. Jetzt sind wir auf einem Platz direkt am Meer. Susanne hat ein Floß gebaut und ist damit umhergeschippert. Leider ist es wieder kaputtgegangen. Dieser Tag war bisher der schönste.

Wir haben eine Ente gefüttert und eine Ente mit ihren Jungen beobachtet. Ein kleines Entchen ist in eine Muschel getreten. Die Muschel hat sich geschlossen und hat das Füßchen der Ente eingeklemmt. Papa konnte das Entchen fangen und es von der Muschel befreien.

IMG_3873Mittwoch, den 24.7.1985
Heute nachmittag sind wir einkaufen gefahren. Bei der Rückfahrt hätte es beinahe einen Unfall gegeben. Dieses Auto hat nämlich keine Kupplung. Genau an der Stelle der Kupplung sitzt die Bremse. Papa wollte in den Leerlauf schalten und hat versehentlich auf die „Kupplung“ getreten. Da es aber die Bremse war, haben wir bei 60 m/h eine Vollbremsung gemacht. Das Auto hat sich quergestellt und es war ein Glück, dass hinter uns kein Auto war.

Donnerstag, den 25.7.1985
Am Nachmittag haben wir heute sehr nette Leute getroffen, mit denen wir uns lange unterhalten haben. Dabei haben wir alle Sonnenbrand gekriegt. Susanne hat abends angefangen, ein kleines Schiff zu bauen.

IMG_3866Freitag, den 26.7.1985
Wir wollten heute einen Ausflug in den Garibaldi-Park machen und im Garibaldi-See baden. Leider wurde nichts daraus. Wir haben auf einem verkehrten Parkplatz geparkt und sind zwei Stunden lang durch die Wildnis in einer „Hazard-Area“ (Steinschlaggebiet) gewandert. Es ging steil bergauf und war furchtbar anstrengend. Papa hat dann noch in einem Wildwasser gebadet.

Samstag, den 27.7.1985
Heute mittag sind wir an den Strand gegangen. Susanne und ich haben einen tollen Flipper gefunden, mit dem wir um die Klippe geschwommen sind. Bei der Rückkehr kamen wir in eine Strömung, die wir jedoch mit einiger Anstrengung durchschwimmen konnten.

Als wir abends nochmal mit Papa die gleiche Tour machten, war die Strömung ungeheuer stark geworden, da die Ebbe eingesetzt hatte. Sehr lange Zeit paddelten wir immer auf der selben Stelle, ohne auch nur einige Zentimeter vorwärts zu kommen.

Sonntag, den 28.7.1985
In unserer Kasse herrscht seit längerem Ebbe. Wir dürfen jeden Tag 14 Dollar ausgeben. Das reicht meistens nicht. Wie müssen uns auf die einfachsten Grundnahrungsmittel beschränken.
Vormittags war Waschtag: Papa hat Anziehsachen und seine Haare gewaschen.

Montag, den 29.7.1985
Heute war ein sehr ereignisreicher Tag. Wir wollten nach Vancouver fahren, um dort ein antikes Salzfässchen zu suchen …

Hier unterbricht Elie mich. „Gerade vorher hieß es in dem Tagebuch, Ihr hättet kein Geld mehr fürs Essen! Wieso wolltet Ihr dann ein „antikes Salzfässchen“? Das klingt für mich sehr seltsam.“

Was Elie nicht weiss: natürlich gab es noch Geld für das Essen. Es sollte aber nicht für so unnütze Dinge wie Essen ausgegeben werden, sondern für „echte Werte“, also Antiquitäten wie z.B. das Salzfässchen. Um das zu verstehen, muss man bei meinem Vater aufgewachsen sein.

Das ist Elie nicht. Er empört sich: „Wie kann man seine Kinder hungern lassen, aber dann antiken Krempel kaufen!“ Ohne es zu wissen, spricht Elie hiermit aus, was meine Mutter meinem Vater nach den „Abenteuerferien“ an den Kopf geworfen hatte – und wogegen sich mein Vater mit den Worten verwahrt hatte, es habe jeden Tag Nudeln, Reis und Cornflakes gegeben und niemand habe Hunger leiden müssen.

Anatol steht der Mund offen. Er kann es nicht fassen. „So etwas habe ich in meiner immerhin mehrere Jahrhunderte umfassenden Butlertätigkeit noch nie gehört“ kann er nur kopfschüttelnd flüstern.

Ich stelle klar, dass „Hungernlassen“ nicht die ganz korrekte Beschreibung dessen ist, was damals in Kanada stattgefunden hatte. „Ein eingeschränkter Speiseplan unter ersatzloser Streichung des Mittagessens“ kommt der Realität näher.

Konsterniert folgen die Saurier weiter meiner Erzählung:

… um dort nach einem antiken Salzfässchen zu suchen. Mittags waren wir essengehen [Anm. Anatol: Endlich!!]. Was uns dabei in einem chinesischen Restaurant passiert ist, kann man in unserem Originaltagebuch nachlesen [Anm. Susanne: wir haben dort nur Knochen mit Sauce serviert bekommen, es war ein sehr seltsames Restaurant.]

Am Abend fanden wir am Auto wieder ein Knöllchen: So ein Mist!

Dienstag, den 30.7.1985
Heute sind wir nach Vancouver-Island gefahren, wo es sehr schön sein soll. Denkste! Es war furchtbar. Überall standen „Eisenbahnwaggons“ (Wohnungen) und der ganze Wald war abgestorben. [Anm. Susanne: wie wir später erfuhren, war die gesamte Insel kurz vorher einem Waldbrand zum Opfer gefallen; das war der Grund dafür, dass man kilometerweit nur heruntergebrannte Baumstrünke sah.] Wir sind durch die ganze Insel gefahren – es war überall gleich. Schließlich blieben wir auf einem Campingplatz bei Tofino. Das Schönste waren die tollen Wellen am Strand. Abends sind wir um 8 Uhr ins Bett gegangen, weil es draußen so schlimm aussah.

IMG_3867 IMG_3868Mittwoch, den 31.7.1985
Nichts wie weg aus dieser trostlosen Gegend! Wir fuhren schurstracks nach Nanaimo und setzten über nach Horseshoe-Bay. Auf unserem geliebten alten Campingplatz fanden wir einen „Walk-in-Site“.

IMG_3869Donnerstag, den 1.8.1985
In der Nacht hat es geregnet, so dass heute morgen alles vernebelt war. Wir fuhren nach Vancouver, um Antiquitätengeschäfte zu suchen, die wir aber nicht fanden. Man empfahl uns, nach Granville zu fahren, wo wor dann auch zwei Salzfässchen und eine Mokkakanne kauften.

Freitag, den 2.8.1985
Keine besonderen Vorkommnisse zu vermerken.

IMG_3870Samstag, den 3.8.1985
Drei kleine Jungen hatten einen armen Fisch gefangen, den sie begutachteten und ziemlich gemein behandelten. Sie schleppten ihn von einer Stelle zur anderen, wobei meist der Kleinste (von uns „die Puppe“ genannt, weil er so süß aussah) den Fisch trug. Uns tat der Fisch leid. Als die beiden Größeren die Puppe einmal allein gelassen hatten, bewegte sich der Fisch. Die Puppe erschrak sehr und ließ den Fisch fallen. Auf ihren winzigen Beinchen lief sie weg, um Hilfe zu holen. Die Abwesenheit der Puppe nutzten wir, um den Fisch zu holen und zu befreien. Zuerst dachten wir, er sei tot, aber nach kurzer Zeit schwamm er weg. Dann kam die Puppe wieder und wollte ihren größeren Brüdern den Fisch zeigen. Der war aber weg. Als die großen Brüder das sahen, wurden sie fuchsteufelswild. Zum Glück konnte sich die Puppe vor der Wut der Brüder zu den Erwachsenen retten. Weitere Fische wurden in unserem Beisein nicht mehr gefangen!

IMG_3872Montag, den 5.8.1985
Heute waren wir nur am Strand. Von einer Klippe aus konnten wir einen Seehund beobachten!

Dienstag, den 6.8.1985
Wir sind wieder in die Stadt gefahren. Dort fanden wir eine wunderschöne Uhr, eine sogenannte Pendüle. Sie hatte einen Glassturz, der wunderschön war, aber schwierig zu transportieren.Die Nacht war heute sehr unangenehm. Zuerst ist Susanne von einer Hummel gebissen worden, sich in ihrem Schlafsack versteckt hatte. Dann kam ein schreckliches Gewitter. Mir war furchtbar schlecht und ich musste spucken, direkt vor’s Zelt. Papa hat das dann mit Meerwasser weggespült, wobei er selbst ganz naß wurde. Keiner von uns konnte schlafen und wir waren am nächsten Morgen hundemüde.Mittwoch, den 7.8.1985
Ich war heute krank, während Susanne und Papa den größten Teil unserer Sachen eingepackt haben.

IMG_3871Donnerstag, den 8.8.1985
Ich bin  jetzt wieder gesund und wir haben den Rest eingepackt. Um halb 12 sind wir vom Campingplatz abgefahren. Dann waren wir beim Flughafen, bei Fred und jetzt beim Autohändler (Carter), dem wir nämlich das Auto verkaufen wollen. – Wir haben das Auto an Fred verkauft. Fred hat uns einen viel besseren Preis geboten als Carter. Dann sind wir mit Fred durch die Stadt gefahren und haben uns noch einiges angesehen: die Simon-Fraser-Universität, einen Park, Freds Boot, das ganz toll ist, mit allem Komfort.

Freitag, den 9.8.1985
Heute, an unserem letzten Tag hier, haben wir noch Platten gekauft: die Chaconne von Vitali mit Jascha Heifetz, die Violinsonaten von Bach mit Glenn Gould (!) und Jaime Laredo und eine Platte mit Szigeti. Dann sind wir zum letzten Mal Fish and Chips essen gegangen, lecker!
Im Flugzeug bekamen wir leider nur einen Platz in der Sardinenklasse.
In Frankfurt ist der Glassturz kaputtgegangen. Wir waren am Boden zerstört. Am liebsten hätten wir alle geweint. So war unsere Ankunft zu Hause von einem traurigen Ereignis überschattet. Wir haben uns aber entschlossen, einen neuen Glassturz blasen zu lassen.

Hier endet das Kanada-Tagebuch.

Anatol und Elie sehen mich schweigend an. Elie kratzt sich am Kopf, Anatol sucht nach Worten. Schließlich meint er: „Wisst Ihr, dass Ihr in Eurer Familie vollkommen durchgeknallt seid? Schon bis zu einem gewissem Grade liebenswert … – aber unzweifelhaft und definitiv meschugge.“

Ich äußere mich dazu diesmal nicht.

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