112. Kapitel – Verhandlungen

Anatol ist noch da. Zwar hatte er gestern demonstrativ seine Siebensachen gepackt – als es dann aber hieß, bei -1 °C in den Schneeregen hinauszuziehen und alle Brücken hinter sich abzubrechen … da war der Butler doch umgekehrt.

Ich habe insofern Glück, als die Krise nicht im Sommer bei gutem Wetter eingetreten ist.

IMG_3464Nun sitzt das Untier in seinem warmen, weichen Nestchen im Regal und hält von dort aus Brandreden. Fast glaubt man, einen zweiten Philipp Scheidemann vor sich zu haben, der vom Balkon herunter die Republik ausruft.

„Unmenschliche Zustände! Unzumutbar! Streik – Revolution! Wehr Dich!“ So geht es in einer Tour.

Indessen muss ich den Haushalt übernehmen, denn der Butler hat sich entschlossen, anstelle seiner Kündigung einen handfesten Streik durchzuexerzieren.

„Deinen Direktoren ist es egal, wenn Du demnächst bei der Arbeit zusammenklappst! Ruh Dich doch wenigstens mal aus! Nimm ein paar Tage Urlaub – und fahr mit uns irgendwohin, wo es schön ist. Wir versauern hier! “

Ich seufze. Unrecht hat der Saurier nicht. Aber was soll ich tun – Urlaub gibt es im Moment nicht und die Arbeit platzt aus allen Nähten. Meinem Chef und den Kollegen geht es nicht besser als mir. Schlimmer noch – wir alle haben Angst, dass man uns bei der ersten sich bietenden Gelegenheit gegen neue, noch unverbrauchte Arbeitsbienen austauschen lassen könnte.

Anatol ist sprachlos. „Das schlägt doch dem Fass den Boden aus!“ zetert er. „Du machst Dich auf der Arbeit kaputt, weil Du ANGST hast, rausgeschmissen zu werden? Dabei sagst Du doch immer, Du magst Deine Arbeit! Aber wie soll man sowas mögen – wenn man Angst hat, ersetzt zu werden?“

Ich versuche – vergeblich – dem Butler zu erklären, dass ich meine Arbeit liebe und sie eben deshalb nicht verlieren will. Leider lässt sich das Tier nicht überzeugen. Es hat sich in Rage geredet und lässt nicht locker.

„Das ist Sklaverei!“ brüllt der Butler. „Selbstverschuldete Sklaverei!“

Ich widerstehe dem Drang, das Tier zu packen, es in einen Karton zu setzen und in den Keller zu sperren – statt dessen stecke ich ihm einen Löffel Kürbissuppe, die ich soeben gekocht habe, ins Maul. Schmatzend verstummt das Biest. Die Suppe findet offenbar Anklang.

Leider ist es nicht falsch, was der Saurier sagt. Nur was soll ich tun? Ich mag meine Arbeit, die Kollegen und meinen Chef. Es ist nur seit etwa 2 Jahren deutlich zuviel des Guten.

Ich verspreche Anatol, sobald es geht, Urlaub zu nehmen – und dann über unsere Zukunft nachzudenken.

Anatol hat sich jedoch bereits in seinen Suppenteller vertieft. Die Suppe ist vorerst interessanter als alles andere.

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