101. Kapitel – Liebeskummer zu Weihnachten

Elie ist seit gestern nicht mehr ansprechbar. Was sich seit einigen Wochen bereits abgezeichnet hatte, ist nun offiziel: Anna und Angelo sind ein Paar. Und Elie weiss nicht, wohin mit seinem Liebeskummer.

Kluge Sprüche wie „Es gibt doch so viele andere nette Dino-Mädchen!“ sparen Anatol und ich uns. Helfen kann Elie im Moment gar nichts – und schon gar kein gutes Zureden. Schließlich hatte Elie jeden freien Moment mit Anna verbracht, und auch bereits die kommenden Weihnachtstage heimlich verplant, um mit ihr zusammen zu sein. Für Elie ist das seine gesamte Zukunft – und dementsprechend groß ist seine Verzweiflung.

„Ich backe jetzt eine Cornish Pasty.“ kündigt Anatol an. „Du brauchst jetzt was richtig Kräftiges, um Dich wieder auf die Beine zu bringen, Elie.“  Elie schüttelt den Kopf. „Ich esse nichts.“

„Wir werden ja sehen. Ich backe jetzt. Irgendetwas musst Du schließlich essen.“ Und zu mir gewandt „Nimm ihm die Ingeborg Bachmann Gedichte weg. Das kann ihm jetzt nicht gut tun.“

Ich trete näher an Elies Versteck heran und sehe mit Bestürzung, dass Elie sich ein regelrechtes literarisches Liebeskummer-Arsenal angelegt hat: „Die gestundete Zeit“ und „Die Anrufung des Großen Bären“ von Ingeborg Bachmann, Gedichte von Erich Fried, Anna Achmatowa … Goethes „Werther“. Als ich darauf hinweise, dass dies kein Schriftgut sei, das Elie jetzt aufbauen werde, ernte ich als einzige Antwort ein wütendes Knurren.

‚Wer sich noch wehren kann, hat sich nicht aufgegeben‘, sage ich mir, und lasse Elie in seiner Melancholie versinken. Es gibt, Momente, in denen das sein muss. Dennoch nehme ich mir vor, besonders die Lektüre des „Werther“ genau zu überwachen.

IMG_3296Anatol hat sich währenddessen in der Küche an den Backutensilien zu schaffen gemacht. Der Teig für die Cornish Pasty ist fast fertig – Anatol hat eine vegane Variante der englischen Delikatesse entwickelt. Das Rezept stammt urspünglich von der gestrengen „Cornish Pasty Association„; diese wacht darüber, dass die Cornish Pasty in ihrer originären Form erhalten bleibt und keiner modernen Geschmacksverirrung zum Opfer fällt.

Der Teig der Pasty wird aus Brotmehl (Anatol nimmt recht dunkles Dinkel-Vollkornmehl), Margarine, Salz und Wasser hergestellt und gut geknetet. Dann kommt er für mehrere Stunden in den Kühlschrank, wo er ruhen muss. Diese Etappe sparen wir uns heute, da nicht genügend Zeit dafür ist. Normalerweise sollte der Teig aber etwa 3 Stunden im Kühlschrank bleiben.

Nun schneidet Anatol einen Kohlrabi, eine große Kartoffel und eine Schalotte in winzige Würfelchen, und salzt und pfeffert das Gemisch großzügig. Dann rollt er den Pasty-Teig aus und gibt das Gemüse sowie etwas Sojajoghurt darauf.

Plötzlich schlägt sich der Butler mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich Esel!“ ruft er ungehalten. Und an mich gerichtet: „Oder vielmehr – DU Esel! Warum hast Du die Pastinake vergessen? Die wollte ich in die Pasty tun, um zu probieren, ob wir damit das Rindfleisch ersetzen können!“ Ich gehe auf die Provokation nicht ein und bemerke nur ruhig „Dann müssen wir die Pastinake eben nächstes Mal versuchen, Anatol“.

Der Butler zischt „Ja, das müssen wir wohl.“ Zum Glück lässt er es dabei bewenden. In die Cornish Pasty kommt traditionell gewürfeltes Rindfleisch – aber für uns als Vegetarierer bzw. Veganer ist das natürlich ein No Go.

Der nächste Schritt besteht darin, den Teig „umzuklappen“ und eine Art Pastete daraus zu formen. Dies ist ein heikler Moment, da der Teig nicht einreissen darf. Anatol gelingt dies heute glücklicherweise ohne Probleme.

IMG_3297Danach wird ein hübscher Rand um die Pasty geknetet und die Pasty so ganz geschlossen. Zum Schluss piekst Anatol ein kleines Loch oben in die Pasty, damit beim Backen der Dampf entweichen kann – sonst platzt die Pasty an einer ungünstigen Stelle auf, was natürlich nicht gewünscht ist.

IMG_3298

Anatol hat den Backofen bereits auf 210°C vorgeheizt. In diesen wird die Pasty nun geschoben – um dort eine ganze Stunde zu backen.

Wir sind gespannt auf das Ergebnis.

Eine Stunde später klingelt der Backofen – die Pasty ist fertig. Anatol ist stolz auf sein Werk.

IMG_3299IMG_3300IMG_3301Die Pasty ist köstlich. Wir hoffen, dass wir Elie werden überreden können, zumindest ein kleines Stückchen zu probieren.

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