Siedend heiss fällt es mir eben gerade ein. Elisabeth. Meine Nichte! Ihr, Jakob und Julian ist der Blog gewidmet.
Elisabeth hatte vorletzten Donnerstag ihren 5. Geburtstag. Und ich habe es vergessen.
Es ist eine SCHANDE.
Wütend sehe ich auf meine Butler. Sie sind normalerweise dafür verantwortlich, dass ich meine Termine einhalte und keine wichtigen Ereignisse verpasse. Wie konnten sie diese Aufgabe so sträflich vernachlässigen?
Elie versteckt seinen Kopf hinter dem Sofakissen, neben das er sich gerade genüsslich hingeflezt hatte, um zu schmökern.
Er glaubt nämlich immer noch, dass man ihn dann nicht sehen kann.
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Anatol hingegen sieht mich angriffslustig an. Er hat sichtlich kein schlechtes Gewissen – im Gegenteil, er scheint mir die Schuld zuschieben zu wollen: „Weisst Du eigentlich, was in den letzten zwei Wochen hier los war? Sag mir doch bitte mal, wann Du überhaupt zu Hause warst in dieser Zeit! Wann um Himmels Willen hätten wir Dir etwas sagen können? Du warst morgens weg, bevor wir aufstehen, und abends bist Du lange nach Dienstschluss erst wiedergekommen – mehrmals sogar erst nach 22 Uhr! Das ist eine Zumutung!“
Das stimmt leider. Anatol hat recht: am Montag vor 2 Wochen hatte es begonnen. Eine Klage war im Büro eingegangen, und es sah schlecht aus für uns. In Windeseile musste unsere Verteidigung aufgestellt werden; Zeugen gefunden und Beweismaterial gesammelt werden. Die mündliche Verhandlung war für Freitag, den 28. März anberaumt – der Tag nach Elisabeths Geburtstag. Die verbleibende Zeit verging wie im Flug – und die Bürostunden wurden ausgedehnt bis 21 Uhr, 21 Uhr 30 und mehrmals eben auch bis nach 22 Uhr.
Die Aktenlage des sich anbahnenden Prozesses war leider für uns nicht vorteilhaft. Das bereits kommerzialisierte Computerspiel verletze angeblich Rechte seiner Mandanten, so behauptete der gegnerische Anwalt.
Meine Aufgabe war nun, anhand des vorliegenden Beweismaterials zu prüfen, ob dies stimmte, und herauszufinden, wie wir uns gegen den Angriff verteidigen könnten. Natürlich muss ich das nicht vollkommen allein tun; wir arbeiten dann mit einem Kollegen im Tandem. Meist läuft es so, dass der eine die Aktenlage durchgeht und die Sache juristisch prüft, und der andere die Produktionsteams und Chefs abklappert, die weitere Strategie abspricht, den Sachverhalt aufklärt und den Kollegen auf dem Laufenden hält. In diesem Fall war ich der Part, der an der Akte sitzt.
Spät am Donnerstag Abend war unser Schriftsatz fertig und konnte fristgerecht bei Gericht vorgelegt werden. Freitag fand die mündliche Verhandlung statt. Das ist hier im Eilverfahren so: es gibt immer eine mündliche Verhandlung, da das Eilverfahren kontradiktorisch ist (in Deutschland ist das etwas anders geregelt).
Worum ging es? Wie ich oben schon geschrieben habe, hatten wir ein Computerspiel produzieren lassen und dies dann herausgebracht. Ihr müsst es Euch wie eine kleine Geschichte vorstellen, in der man entweder auf seinem Computer, auf tablets wie dem iPad oder auch auf einem dafür ausgestatteten Handy direkt mitspielen kann. Ja, und die diesem Computerspiel zugrundeliegende Geschichte war angeblich von jemand anderem abgeschrieben worden.
Im richtigen Leben ist es wie in der Schule: von anderen abschreiben wird nicht gern gesehen. In der Schule gibt es dafür eine Sechs. Im richtigen Leben verliert man damit Prozesse – wenn man wirklich abgeschrieben hat. Wir standen selbstverständlich auf dem Standpunkt, dass hier NICHT abgeschrieben worden war. Aber wie würde der Richter urteilen?
Die Entscheidung sollte uns am Freitag abend sehr spät zugehen. Mein Kollege und ich waren im Büro geblieben, um die Entscheidung abzuwarten. Um 21 Uhr hatten wir solchen Hunger, dass wir uns Pizza bestellt haben.
Die Pizza war allerdings sehr gut. Das war ein Lichtblick, denn um 22 Uhr bekamen wir die traurige Nachricht:
Wir hatten unseren Prozess verloren – trotz aller Arbeit, die wir uns gemacht hatten. Leider bedeutete das auch, dass nun das gesamte Computerspiel überall dort entfernt werden musste, wo es schon veröffentlicht war. Diese Arbeit hat dann noch einen großen Teil der Nacht in Anspruch genommen.
Als ich ziemlich deprimiert an diesem Freitagabend (besser: in der Nacht) nach Hause kam, schliefen Anatol und Elie schon. Sie hatten den Katzen zu fressen gegeben und sich auch um den Haushalt gekümmert. Alles war fein säuberlich aufgeräumt und ordentlich.
Aber das wichtige Datum, der 27. Februar – Elisabeths großer Tag – war in der ganzen Aufregung vergessen worden.
Wir sind alle drei untröstlich. Es tut uns sehr leid! Deshalb lieber spät als nie:
HAPPY BIRTHDAY LIEBE ELISABETH !
Vielleicht haben die Eltern ja auch noch eine Idee für ein Geschenk …?
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