Tagebucheintrag vom 16. Oktober 2013
Anatol hat nicht nur die Katzen gefüttert und mir das Frühstück gemacht, er hat auch die ganze Wohnung aufgeräumt! Wie ein kleiner Putzteufel ist er nun dabei, zu wischen und zu wienern, was das Zeug hält. Ich habe das Gefühl, selten in einer so sauberen Wohnung gelebt zu haben …
Auf meine Frage, was das denn zu bedeuten habe, antwortet er nur kurz: „Das ist für Elie. Elie kommt bald wieder! Dann soll alles für ihn schön aufgeräumt sein.“ – und wendet sich sofort wieder seiner Putzaktion zu. Mehr ist nicht aus ihm herauszukriegen.
Ich setze mich in meinen Sessel und schlage ein Buch auf. Aber ich kann mich nicht in die Geschichte vertiefen. Irgendetwas stimmt nicht mit Anatol.
Gerade will ich ihn fragen, ob er nicht lieber in den Park gehen möchte, da sehe ich, dass Anatol weint. Es laufen dicke Tränen aus seinen Dinosaurieräuglein, aber man hört ihn nicht weinen. Die Tränen laufen einfach herunter, während er mit dem Putzlappen durch die Wohnung wischt.
„Anatol … was ist denn los …“ sage ich, nehme ihn hoch und setze ihn neben mich auf den Sessel. Er zappelt unwillig und möchte runter – aber dann bricht es aus ihm heraus. Er schluchzt nur noch – zwar will er etwas sagen, aber er kann nicht. Ich streichle ihm einfach das Köpfchen und sage nichts. Es braucht keine Worte, um zu verstehen, was in ihm vorgeht. Sein neuer Freund Elie liegt schwer verletzt auf der Intensivstation einer Tierklinik, und niemand weiss, ob Elie überleben wird. Ich kann nur versuchen, Anatol zu trösten, indem ich ihn in den Arm nehme und ihm sage „Anatol, ich bin sicher, es wird alles für Elie getan. Er ist in guten Händen, und sie tun dort alles Menschenmögliche, um ihn zu retten.“
Nach einer Weile geht es etwas besser. Anatol möchte weiterputzen. Ich sage ihm, es sei nun gut. Es sei alles vorbereitet und sauber für Elie.
Aber Anatol möchte noch das Nestchen ganz schön machen. Hier zieht er es glatt.
Ich wage es nicht mir vorzustellen, was werden soll, wenn Elie nicht wiederkommt.
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