27. Kapitel – Feng Shui I

„Entrümple Dein Leben“ – diesen Slogan hat Anatol im Internet entdeckt. Zu lesen bekommt man ihn auf Seiten über den neuen „Minimalismus“ wie Simplify your life, in Blogs wie z.B. Becoming minimalist oder auch in der ganzheitlichen Lebenslehre des Feng-Shui.

Anatol ist begeistert vom Minimalismus. Sofort will er die neuen Ideen in die Tat umsetzen. Ihm schwebt eine Umgestaltung der Wohnung in etwas wie diesen Tempel der Wohnkultur vor.

Ich muss Anatol enttäuschen. Eine solche Einrichtung werden wir niemals haben. Dafür sorgen bereits unsere pelzigen Mitbewohner, die von meinen Freunden als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet werden. In Bezug auf schöne Möbel werden sie dieser Bezeichnung leider gerecht.

Doch was bedeutet „Minimalismus“?

Es handelt sich dabei nicht einfach um Aufräumen. Nein, es geht um „Loslassen“, um „Weniger besitzen“. Die Engländer nennen es „de-own“ – die  eigenverantwortete, bewusste Selbstenteignung, um es in ordentlichem Juristendeutsch auszudrücken.

„Wozu soll das gut sein?“ fragt Elie. „Schließlich habe ich lange gespart, um mir endlich meinen tollen Chèche zu kaufen! Und nun soll ich den weggeben? Nein – ohne mich!“

IMG_1537Elie hat in der Tat lange Zeit seine Steinzeittaler angespart, weil er in einer Boutique einen wunderschönen tunesischen Wüstenschal (den „Chèche“) gefunden hatte, den er beim Sommer-Treffen der „Söhne der Wüste“ tragen will. Der Chèche ist sein ganzer Stolz, und um nichts in der Welt würde er ihn hergeben.

Ich versuche, es Elie zu erklären. „Elie, auf keinen Fall musst Du Deinen Chèche abgeben. So funktioniert Minimalismus nicht. Es geht um etwas anderes, nämlich darum, Sinnloses und Überflüssiges hinter sich zu lassen.“

Anatol pflichtet mir bei. „Ein Chèche ist gut. Zehn Chèches, die Du nie trägst, ist Anti-Minimalismus. Und das wollen wir nicht mehr.“

Nun wird Elie etwas ungehalten. „ICH habe nur einen einzigen Chèche. Und sonst habe ich GAR kein Kleidungsstück. Dieser Minimalismus geht mich deshalb nichts an. Die einzige Person, die hier Kleidung in 100facher Ausführung besitzt, so dass die Schränke überquellen und alles an den Türen hängen muss, weil in die Schränke nicht einmal mehr ein hauchdünnes Pfefferminzblättchen hineinpasst – von den Schuhen mal ganz zu schweigen! – ist Susanne!“

Elie hat damit ins Schwarze getroffen. Betreten schaue ich zu Boden. „Elie, Du hast ja recht. Es geht hier vor allem um mich und meinen Kram. Er nimmt einfach zu viel Platz weg. Und daran wollen wir etwas ändern. Ich habe ja schon beschlossen, in diesem Jahr kein einziges neues Kleidungsstück zu kaufen. Bisher habe ich mich daran gehalten.“

Elie bemerkt etwas spitz, dass es mit dem „nichts Neues mehr kaufen“ ja schön und gut sei – dass aber eine sinnvolle Nutzung der Wohnung seiner Meinung nach erst wieder möglich sei, wenn mindestens ein Drittel der vorhandenen Kleidungsstücke entfernt würde. Ich schlucke.

Anatol erinnert nun daran, dass der materielle Teil (das Aufräumen und Weggeben von Sachen) nur ein Aspekt des Minimalismus sei. Es gehe dabei vor allem um die Einstellung zum Konsum. Um Nachhaltigkeit – aber auch um Verzicht auf den neuesten technischen Schnickschnack und allgemein auf alles Unwesentliche.

Elie guckt sehr skeptisch. Er ist – was ihn selbst betrifft – sichtlich nicht von der Idee des Verzichts angetan. Deshalb muss ich mir etwas einfallen lassen, das ihn überzeugt. Und schon habe ich eine Idee.

„Ihr Lieben, wann habt Ihr eigentlich das letzte Mal in Eurem Nestchen das Gefühl gehabt, dass es dort bequem und angenehm war? So dass Ihr beide Platz hattet, um Euch mal richtig auszustrecken?“

Anatol druckst etwas herum und weiss sichtlich nichts zu antworten. Elie wird rot bis hinter beide Ohren (die bei ihm nicht sehr ausgebildet sind). Der Grund liegt auf der Hand – seit Tagen sieht das Nestchen so aus:

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Man kann es mit Fug und Recht als einen wahren Schweinestall bezeichnen.

Die erste Aufgabe für die frischgebackenen Minimalisten ist es also, das eigene Nestchen auszuräumen und dann gemäß Feng Shui zu ordnen. Mit Feuereifer machen sich die beiden an die Arbeit.

Über den Fortgang des „Feng Shui à la Anatol“ werden wir berichten!

16. März 2014

Und so sieht ein schön aufgeräumtes, entrümpeltes Dino-Nestchen aus:

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Anatol und Elie fühlen sich sichtlich wohler darin und wollen nun die ganze Wohnung entrümpeln. Gut, dass ich eine Woche Ferien habe und das Ganze überwachen kann …

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Comments

  1. majorneryz says

    Wenn Du das Nestchen heute sehen würdest … *seufz* … die Aufräumaktion hat nicht ewig vorgehalten. Elie hat sich wieder meinen Kapuzenschal ausgeliehen – es ist so kalt geworden, sagt er!

  2. majorneryz says

    Da sagst Du was… Elie pflichtet Dir auch gerade bei: bei dieser „Schweinekälte“ müsse man sich einfach in alles einmummeln, was eben zu Hand sei, sagt er 😉

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